Éric-Emmanuel Schmitt
Schauspiel. Anläßlich des 70. Todestages Sigmund Freuds.
Wien, am 22. März 1938 ein Abend in der Wohnung von Sigmund Freud. Die Nationalsozialisten beherrschen die österreichische Hauptstadt, und der jüdische Psychoanalytiker zögert seine Emigration hinaus. Da wird seine Tochter Anna von der Gestapo zum Verhör abgeführt. Plötzlich taucht ein geheimnisvoller Besucher auf und konfrontiert den krebskranken Freud mit detailliertem Wissen über seine Vergangenheit und seine Zukunft. Wie kann dieser Fremde das alles wissen? Wer ist er? Ein Wahnsinniger, ein Patient, Satan, ein Traum Freuds aus dem Unterbewußtsein oder vielleicht Gott höchstpersönlich? Eine messerscharfe verbale Auseinandersetzung der beiden Widersacher beginnt. In dem kontroversen Dialog voller Trotz, Verstand, Zynismus, Selbstzweifel und Glauben nähert man sich langsam der Wahrheit . . .
Eine brillante philosophische Wortschlacht über Leben und Tod, über Atheismus und Glauben, über Theodizee auf der Suche nach Wahrheit und Erkenntnis!
Éric-Emmanuel Schmitt bestätigt mit DER BESUCHER wieder einmal, philosophische und ernsthafte Themen mit leichter Hand, kriminalistischem Gespür und Wortwitz zu garnieren. Seit den frühen 1990er Jahren gehört Schmitt mit Yasmina Reza zu den bedeutendsten zeitgenössischen französischen Theaterautoren. Er studierte zunächst Musik, später Philosophie und schloß seine Dissertation über den Aufklärer Diderot, dem Protagonisten seines Stückes DER FREIGEIST, ab. Mit DER BESUCHER ausgezeichnet mit dem "Prix Molière" gelang ihm 1993 sein internationaler Durchbruch als Dramatiker.
Stücke von Éric-Emmanuel Schmitt stehen am Wolfgang Borchert Theater seit 2006 auf dem Spielplan, so die metaphysische Komödie DER FREIGEIST, der Ehekrimi KLEINE EHEVERBRECHEN, das "Passions"-Spiel MEINE EVANGELIEN und die sonderbare Liebesgeschichte ENIGMA. DER BESUCHER ist bereits das fünfte Stück des französischen Theaterstars im Hause. Auch dieses Mal führt WBT-Intendant Meinhard Zanger Regie. Die Rolle des Sigmund Freud hat Andreas Weißert übernommen, der als älterer Martin Heidegger aus DIE BANALITÄT DER LIEBE bekannt ist.
Inszenierung | Meinhard Zanger
Ausstattung | Petra Buchholz
Mitwirkende | Andreas Weißert [Sigmund Freud] | Sven Heiß [Der Unbekannte] | Sabrina vor der Sielhorst [Anna Freud] | Jens Ulrich Seffen [Der Nazi] |
Premiere A | Donnerstag, 5. November 2009
Premiere B | Samstag, 7. November 2009
Beginn 20 Uhr
WBT_SAAL
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PRESSESTIMMEN
Regisseur Meinhard Zanger hat ein Händchen für die Stücke von Éric-Emmanuel Schmitt. Atmosphärisch dicht, mit straffer Schauspielerführung bringt er ihre Stärken auf den Punkt: Geist- und pointenreiche Dialoge umkreisen ein Rätsel, dessen Lösung Schmitt dem Zuschauer überläßt. Besonders ergreifend ist das kluge, einfühlsame Porträt Sigmund Freuds, der von Andreas Weißert beinahe zärtlich mit kontrollierter Intensität zum Leben erweckt wird.
GIG, Januar 2010
Auf diesen wahnwitzigen Plot, Gott bei Freud auf der Coach, kann man wohl nur kommen, wenn man wie Éric-Emmanuel Schmitt selbst Philosophie studiert und gelehrt hat. […] So trocken sich das anhört, so brillant ist der Dialog von Schmitt. Es ist wirklich seine Kunst, hochintelligente Thematik mit Unterhaltungsmitteln leicht verständlich zu machen. Da darf durchaus auch öfter geschmunzelt werden. Die beiden Hauptdarsteller sind eine Wucht. Man fragt sich immer, wie schafft Intendant Meinhard Zanger es immer wieder solche Darsteller an sein kleines Haus zu binden. Andreas Weißert gibt den Freud zwar als alternden, nicht mehr ganz frischen Mann, aber mit hellwachem Verstand, der seinen Überzeugungen treu bleiben will. Sven Heiß spielt den mysteriösen Besucher als Bühnendandy mit Schal und Stöckchen. Bei ihm hat der liebe Gott auch schon mal den Schalk im Nacken. Sprachlich sind beide Darsteller brillant, und verstehen es, ihre Bühnenpräsenz überzeugend einzusetzen. Ein Parlieren der allerbesten Güte. Die Tochter Anna wird überzeugend von Sabrina vor der Sielhorst dargestellt. Jens Ulrich Seffen, dieses Multitalent, das wir schon so oft erwähnt haben, gibt den Nazi. Die Charge ist so stark, daß sie genau den Wahnwitz der Figur wiedergibt und so zurückhaltend, daß auch nicht der Hauch der Klamotte zu spüren ist. […] Zanger versteht es die Schauspieler durch ihr ganz individuelles Können zum Glänzen zu bringen. Seine Personenführung ist überzeugend und er schafft es immer den Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung wunderbar auszuloten. Ein anderthalbstündiger Theaterabend, der wie im Fluge vergeht. Das spricht für sich.
theater pur, 12/2009
Regisseur Meinhard Zanger übernimmt die Dialoge weitgehend unverändert […], dafür entschädigen komische Momente, die das bedeutungsschwere Stück immer wieder auflockern. Denn DER BESUCHER stellt nicht nur existentielle Fragen, sondern amüsiert auch als Verwechslungskomödie. Erst hält man den Fremden für einen entlaufenen Irren. Als dieser gefaßt ist möchte man glauben, es handele sich um Gott. Bis Freuds Tochter den Besucher schließlich als Verehrer entlarvt und damit aufs Neue irritiert. Sven Heiß wechselt als Unbekannter spielend die Masken, stellt den verunsicherten Freud mit Sarkasmus bloß und ist doch liebevoll besorgt. Auch Andreas Weißert alias Freud meistert das […] Stück mit Bravour, weniger als intellektuelles Genie, vielmehr als Mensch in der Krise. Alles in allem gelingt Meinhard Zanger der Balanceakt zwischen tiefgreifendem Ernst und Humor. Dazu paßt auch der versöhnliche Schluß, am Ende steht die Hoffnung.
WDR5 Scala, 30.11.09
Auch den Zuschauer freut´s, zumal der gerade einem jener komplexen Schmitt-Diskurse folgt, die sich ausgesprochen unterhaltsam und spannend den großen Sinnfragen widmet. Mit dem 1993 entstandenen Roman DER BESUCHER bringt das Wolfgang Borchert Theater das inzwischen fünfte Stück Schmitts auf seine Bühne. Auch diesmal führt wieder Intendant und Schmitt-Experte Meinhard Zanger Regie. In Andreas Weißert hat er einen würdigen Freud-Darsteller gefunden, der dem alten Psychoanalytiker auch äußerlich ähnelt. Und Sven Heiß spielt den Besucher mit viel jungenhaft-frechem Charme. […] Mit dem BESUCHER präsentiert das WBT nicht nur an trüben Herbstabenden ein herzerwärmend schönes Stück Theater […]
Ultimo, Nr. 24/09
Wer je eine Vorstellung von Sigmund Freud hatte, wird in der Borchert-Aufführung nicht enttäuscht. Mit seinen weißen Haaren, Bart und Tweed-Anzug nimmt man Schauspieler Andreas Weißert den österreichischen Analytiker sofort ab. [...] Sven Heiß spielt seine Rolle als Unbekannter sehr überzeugend. Seine Mimik und Gestik lassen von Anbeginn der Aufführung keinerlei Fragen offen. Andreas Weißert [...] ist eine sehr intensive und glaubhafte Darstellung von Freud gelungen.
Die Glocke, 9.11.2009
Wenn Zanger Stücke von Éric-Emmanuel Schmitt inszeniert, dann bekommen die Zuschauer offensichtlich Schmitt pur, und in diesem Fall hat Ausstatterin Petra Buchholz mit dem brillanten Schauspieler Andreas Weißert einen so authentischen Freud auf der Bühne, daß es eine Freude ist. [...] Schmitt ist ein raffinierter Autor, der den Zuschauer ständig auf falsche Fährten lockt. [...] Schmitts dramaturgische Kniffe und Zangers präzise Regie machen den Reiz des intelligent-unterhaltsamen Abends aus. Und Jens-Ulrich Seffen als Nazi ist richtig fies.
Westfälische Nachrichten, 7.11.2009
Der Ansatz im Stück DER BESUCHER ist originell. [...] In den 90 kurzweiligen Minuten in Münsters Borchert-Theater dauert, schwankt die Stimmung immer zwischen Glauben und Zweifel, zwischen heiß und kalt. Der Unbekannte schimmert in vielen Facetten: Ist er Betrüger, Stalker, mit seinem Abendanzug und dem roten Schal nur ein Aufschneider und Dandy? Oder ein entflohener Irrer? Gott? Vielleicht nur ein Traum? Regisseur Meinhard Zanger verläßt sich bei diesem sprachgewaltigen, fast kriminalistischem Herantasten an die Wahrheit ganz auf seinen Lieblingsautor. Die Dialoge wirken leicht trotz der Schwere des Themas. Den Esprit, den Witz und die leise Melancholie des Textes unterstützt Zanger mit einer zurückhaltenden, sehr natürlichen Personenführung. Andreas Weißert als Sigmund Freud und Sven Heiß als „der Unbekannte“ umkreisen sich elegant, zornig, entsetzt, verzweifelt mit Worten und Körpern. Ihre Kulisse, ein Zimmer mit schweren Möbeln und Büchern (Ausstattung: Petra Buchholz), könnte realistischer kaum sein. Hier wirkt alles so echt, als habe man einfach die Mauer von Freuds Zimmer entfernt. Als werde der Zuschauer zum geheimen Beobachter einer wahren Begebenheit. [...] Zur Arie „Dove sono i bei momenti“ aus Mozarts Oper „Die Hochzeit des Figaro“, Schmitts Symbol für die Schönheit schlechthin, verwandelt Zanger das Theater in einen Sternenhimmel. Ein Bild, das zum Schluß noch einmal auftaucht und alle Fragen offen läßt.
Münstersche Zeitung, 7.11.2009