Terrence McNally

Schauspiel. Deutsch von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting.
Koproduktion von Städt. Bühnen Münster & Wolfgang Borchert Theater Münster. 

Vor knapp 35 Jahren, im September 1977, starb die Primadonna des 20. Jahrhunderts schlechthin: Maria Callas. Einige Jahre zuvor ist die Weltkarriere der Sängerin beendet. Sie gibt jedoch noch 1971/72 zwei Meisterklassen an der renommierten und legendären New Yorker Juilliard School. Die launenhafte und despotische Diva ist sich jedoch treu geblieben. Faszinierend, mit großem Gehabe, aber didaktisch unbegabt, gibt sie hoffnungsvollen großen Talenten ihren immensen Erfahrungsschatz nicht ohne Bitterkeit auf ihren schwindenden Ruhm weiter und erinnert an Stationen ihres bewegten Lebens. Dabei überfordert die Belcanto-Primadonna ihre Schüler und drangsaliert die Eleven mit ihrer Launenhaftigkeit, ihrem Perfektionismus und ihrer egozentrischen Selbstinszenierung – ein tragikomischer Abgesang auf eine beispiellose Karriere, ein unterhaltsames Resümee eines Mythos, und ein großer Auftritt der Callas!

Terrence McNally gehört zu den erfolgreichsten Broadway-Autoren. Direkt sein erstes Stück Things that Go Bump in the Night sorgte 1965 für einen Skandal-Erfolg. Für den Text zum Musical Der Kuß der Spinnenfrau erhielt McNally 1993 den Tony Award. Der Autor, bekennender Callas-Fan, besuchte selbst die Lektionen der Primadonna und war von ihrer Ausstrahlungskraft derart fasziniert, daß er ihr eine humorvolle, musikalische Hommage widmet. Die Uraufführung fand 1995 durch die Philadelphia Theatre Company statt, die Deutsche Erstaufführung im November 1996 am Münchner Residenztheater.

Erstmals koproduzieren die Städtischen Bühnen Münster und das Wolfgang Borchert Theater Münster.



Inszenierung & Raum | Wolfgang Lichtenstein
Ausstattung | Anke Drewes

Mitwirkende | Monika Hess-Zanger [Maria] | Manfred Sasse [Der Pianist] | Charikla Tonn [Eine Sopranistin] | Annette Johansson [Eine weitere Sopranistin] | Gonzalo Diaz [Ein Tenor] | Matthias Niermann [Ein Bühnenarbeiter] |

Premiere | Donnerstag, 7. Oktober 2010
SAAL der Musikhochschule Münster


weitere Fotos >


PRESSESTIMMEN

Ort der Inszenierung ist der Saal der Musikhochschule Münster. Der Spielort ist also mehr als passend. Die Callas (Monika Hess-Zanger) tritt auf. Ihre Pünktlichkeit ist sagenhaft, ihr Egomanentum aber auch. Sie frißt sich an Kleinigkeiten fest. Eine Fußbank war ihr versprochen worden und ein Sitzkissen. Die sind natürlich nicht da. Den Pianisten (Manfred Sasse) nimmt sie kaum wahr. Die erste Schülerin (Charikla Tonn) kommt. Man sieht, daß das arme Mädel genau der Typ ist, der ihr nicht liegt. Doch die Callas bleibt freundlich. Wie Ka, die Schlange aus dem Dschungelbuch, umkreist sie sie liebenswürdig, bis sie ein paar Spritzer Gift versprüht. Bei fast jedem Ton unterbricht sie die junge Sopranistin. […] Wolfgang Lichtenstein spielt die musikalischen Szenen breit aus. Meist verkommen die Darsteller der Sänger zu Wurzen, Stichwortgebern, bei ihm haben sie wenigstens eine Form der Entwicklung. Und für die Figur der Callas sind diese Szenen unendlich wichtig, hier wird die Einsamkeit einer gefeierten Diva tatsächlich sichtbar, die Zerrissenheit dieser Figur. Einerseits eine hoch sensible Künstlerin, auf der anderen Seite eine Frau, die ihr Temperament kaum im Zaume halten kann (man erinnere sich an das berühmte Polizeifoto aus Chicago). Und Monika Hess-Zanger spielt nicht die Callas, sondern ‚ist’ die Diva, sie zelebriert sich, natürlich in aller Bescheidenheit. Sie ist souverän, lässig, selbstbewußt, spitz bis gehässig, aber im Understatement. Sie versprüht Charme, Gift und Galle, immer formvollendet. Ihr Unterricht ist eine von ihr inszenierte Produktion, die ab und an zusammenbricht und die zerstörte Seele eine Kindes freizusetzen scheint. Hier spielt das Stück mit Rückblenden, wenn ihre Aufnahmen leise aus dem Hintergrund kommen und berufliche wie private Erinnerungen hochkommen. Und dies wird ausgefüllt bis in die Fingerspitzen, glaubwürdig bis zur letzten Geste. Eine stramme Leistung! Charikla Tonn gibt die verunsicherte erste Sängerin nervös und voller Angst wider. Eine, die sich stets bemühen will, aber was für ein Wort, wenn es um Kunst geht. Annette Johansson legt die zweite Sopranistin an zwischen Zweifel, Trotz, Empörung und niedergeschmettert sein. Der junge chilenische Tenor Gonzalo Diaz ist ein Charmebolzen. Ohne Furcht vor dem großen Namen geht er an seine Aufgabe. Locker, flockig und begeisternd. Ein Stück, daß neben ein wenig Musiktheatergeschichte auch etwas von der Schattenseite des Ruhmes zeigt, in einer wunderbar runden Inszenierung.

theater pur, Dezember 2010



Schauspielerin Monika Hess-Zanger geht in der Rolle der launischen, herrischen Primadonna vollends auf. […] Hess-Zanger zeigt die 1977 mit 53 Jahren in Paris gestorbene Sängerin mal furchtbar despotisch, dann wieder mitreißend und voller Leidenschaft. Man bekommt eine Vorstellung davon, wie schwierig der Umgang mit der Frau gewesen sein muß, die in Armut aufwuchs und von Milliardär Aristoteles Onassis verlassen wurde, weil er Jacky Kennedy heiraten wollte. Mit starren Augen, wie entrückt interpretiert Hess-Zanger die legendäre Sopranistin, die ihre Gesangsstunden dazu benutzt, die Stationen ihres Lebens zu reflektieren. Mal monologisiert sie über die einzig wahre Art zu singen, dann zickt sie herum, weil sie ohne Kissen und Fußbänkchen nicht arbeiten kann. Wie es sich für eine Diva eben gehört. Ihre schönsten Szenen hat die Schauspielerin, wenn sie fasziniert der im Hintergrund laufen Original-Aufnahmen der Callas lauscht. Oder wenn sie Meisterschülerin Annette Johansson als Lady Macbeth zuhört, verzückt den Mund zur Arie mitbewegt und fast in die Rolle hineinzukriechen scheint. […] Ein ewiges Geheimnis wird aber bleiben, wie eine einzelne Person soviel Text auswendig lernen kann. 

Die Glocke, 9.10.2010



Das Regieteam (Wolfgang Lichtenstein, Stephanie Kniesbeck und Anke Drewes) braucht nur wenige Requisiten, es braucht eine starke Callas. Die verkörpert Monika Hess-Zanger allemal. Mit Haut und Haar stürzt sie sich hinein in ihre Rolle. Unberechenbar, explosiv, frech und verletzend, nachdenklich und traurig. Eine grandiose Leistung, vom Publikum mit frenetischem Beifall belohnt! Manfred Sasse sitzt geradezu sklavenhaft als mechanisch funktionierender Klavierdackel an den Tasten, Matthias Niermann stört als souveräner Bühnenarbeiter. Wunderbar Charikla Tonn als Sopranistin im Minirock, den die Callas ebenso moniert wie ihren Bellini-Gesang; Annette Johansson schlägt sich tapfer durch die Lady Macbeth (das kann die arrogante Lehrerin natürlich besser), Gonzalo Diaz ist als Cavaradossi-Novize geradezu der Sonnyboy eines Tenors auf der Bühne, so witzig und selbstbewusst, dass es sogar der Callas mitunter die Sprache verschlägt.

McNallys Stück wirft Licht auf ganz unterschiedliche Facetten dieser einzigartigen Frau, die sich im Glanz hat sonnen können, doch insgeheim ziemlich einsam war. Vielleicht hat der Journalist Jürgen Kesting recht, der meinte, die Callas habe eine Stimme gehabt
wie eine Flöte, geschnitten aus einer Trauerweide“.

Westfälische Nachrichten, 9.10.2010



McNallys Tragikomödie einer Frau zwischen Genie, Wahnsinn, Einsamkeit und menschlicher Größe hatte am Donnerstag umjubelte Premiere in Münsters Musikhochschule. Monika Hess-Zanger vom Borchert-Theater spielt die Diva, Sänger des Stadttheaters und der Musikhochschule sind ihre Schüler. Regie führt Wolfgang Lichtenstein. […]

Monika Hess-Zanger sieht der Callas eigentlich gar nicht ähnlich, doch ihre Verwandlung auf der Bühne ist verblüffend. Mit Medea-Lidstrich auf den Augen, expressiven Gesten der Hände und der tiefen, manchmal eine Spur ordinären Sprechstimme kommt sie der Primadonna erstaunlich nahe. […]

Wichtiger ist jedoch, dass Hess-Zanger vollkommen in den Charakter hineinschlüpft. Sie schafft es, die Bühne mit ihrer Präsenz zu beherrschen und ihre Schüler zu zerdrücken wie Stubenfliegen. Sie ist gehässig, aber unglaublich unterhaltsam. Und sie ist klug: Alles, was sie in ihrem Unterricht über Kunst, Singen, Schauspiel zum Besten gibt, trifft hundertprozentig ins Schwarze. Autor McNally und die münstersche Inszenierung nutzen die Chance, um Mittelmäßigkeit und Routiniertheit im Theaterbetrieb mit den Worten der Callas anzuprangern.

Am Ende des Stücks steht die Diva nicht mehr als Monster oder Witzfigur da, sondern als faszinierender, tiefgründiger Mensch, unter dessen Schmerz immer wieder Humor und sogar Liebenswürdigkeit hervorblitzen.

Die drei Schüler spielen ihre undankbaren Rollen als arme Würstchen ebenfalls sehr gut: Charikla Tonn mimt eine phlegmatische Piepsmaus, Gonzalo Diaz einen tumben Draufgänger-Tenor (eine böse Anspielung auf Callas’ sizilianischen Tenor-Partner Giuseppe Di Stefano). Stadttheater-Sopranistin Annette Johansson singt wunderbar, schon ihre Brief-Arie aus Verdis
Macbeth mit Manfred Sasse am Klavier lohnt den Besuch der Vorstellung.

Ein Höhepunkt der jungen Spielzeit, der Schauspiel- und Opernfans glücklich macht.

Münstersche Zeitung, 9.10.2010