Theodor Holman (Drehbuch) / Theo van Gogh (Film)
Schauspiel. Übersetzt und für die Bühne adaptiert von Stephan Lack.
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Ein renommierter Politik-Journalist interviewt einen gefeierten weiblichen, jungen Soap-Star, weil der Kulturredakteur erkrankt ist. Voller Unlust geht der verbissen auf die Seriosität seiner Arbeit pochende Mann an die Arbeit nur ungern hat der den Auftrag übernommen. Die erfolgverwöhnte, strahlende Schauspielerin scheint ihm weit überlegen. Das Gespräch könnte schnell zu Ende sein, aber die Begegnung entwickelt sich auf unterhaltsame Weise zu einer zerstörerischen Schlacht zwischen zwei hochintelligenten Menschen, in der alle Mittel recht sind, die eigene Existenz in der Mediengesellschaft zu behaupten. Wahrheit und Lüge sind nicht mehr zu unterscheiden, so wenig wie echtes Gefühl und seine Vortäuschung. Die beiden Personen kommen sich extrem nahe und werden gleichzeitig unerbittliche Feinde. Im Hintergrund beherrscht das persönliche Drama immer mehr die Szene: unbewältigte Kriegserfahrungen als Berichterstatter, Ohnmacht, Neid, unlautere Motive, Gier nach Erfolg und kommerzieller Verwertung intimer Erfahrung, Spekulationen um eine Krankheit des Stars, eine fast herbeigesehnte “Beschädigung“ seines Glanzes . . .
DAS INTERVIEW heißt ursprünglich ein Film des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh - der aber eigentlich ein Kammerspiel ist, das sich ganz auf seine Schauspieler konzentriert. Durch die subtile Analyse psychischer Reaktionen gelingt eine präzise Beschreibung jener vollends theatralisierten Welt, wie sie die Medien täglich erschaffen.
Nach der Uraufführung 2006 am Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm und der bemerkenswerten Inszenierung 2009 am Theater am Neumarkt in Zürich nun auch in Münster am Wolfgang Borchert Theater.
Der 1957 in Den Haag geborene niederländische Filmregisseur, Publizist und Satiriker Theo van Gogh erhielt nach der Ausstrahlung seines Films “Submission“ über die Unterdrückung der Frau durch den Islam Morddrohungen. Am 2. November 2004 wurde er gegen 8.45 Uhr in der Amsterdamer Linnaeusstraat von einem islamischen Fundamentalisten ermordet. Der Filmregisseur war ein Urenkel des niederländischen Kunsthändlers und -sammlers Theo van Gogh, dem Bruder Vincent van Goghs.
Es inszeniert WBT-Chef Meinhard Zanger. Der Berliner Theater-, Fernseh- und Film-Schauspieler Henning Kober, Jahrgang 1968, hat die Rolle des Pierre übernommen und gibt nach Theater-Engagements in Konstanz, Hamburg, Oldenburg, Göttingen und Dessau nun sein WBT-Debüt. Ensemble-Mitglied Sabrina vor der Sielhorst (u. a. Conférence in KLEINER MANN, WAS NUN?) spielt den Soap-Star Katja.
Inszenierung | Meinhard Zanger
Ausstattung | Annette Wolf
Mit | Henning Kober [Pierre] & Sabrina vor der Sielhorst [Katja] |
Premiere A | Donnerstag, 17. März 2011 | 20 Uhr
Premiere B | Samstag, 19. März 2011 | 20 Uhr
WBT_SAAL
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PRESSESTIMMEN
"Die beiden Figuren faszinieren durch Gegensätzlichkeit: Katja alias Sabrina vor der Sielhorst als überdrehte, aber clevere Schauspielerin, Pierre, dargestellt von Henning Kober, als rationaler, vom Leben gebeutelter Zyniker. Regisseur Meinhard Zanger aktualisiert das Stück und bringt Schein-Welten einer kompromisslos fordernden Mediengesellschaft gekonnt auf den Punkt. Ein kluges, kritisches, gut gespieltes Stück, das knapp zwei Stunden lang spannend bleibt."
Podcast -----> SCALA, WDR 5, 21.3.11 (Link "Premiere in Münster: 'Das Interview' nach einem Film von Theo van Gogh" anklicken)
"Aus einem missglückten Interview wird ein gnadenloses Seelenduell. Beide fühlen sich zueinander hingezogen. Die erotische Ebene des Stückes inszeniert Meinhard Zanger mit abgründiger Intensität. Immer wieder bricht einer der beiden ab, stellt die Gefühle des anderen oder seine eigenen in Frage. Von Vertrauen ist oft die Rede, aber beide bleiben auf Distanz, checken einander ab, sind Spieler, die mit vollem Körpereinsatz aufs Ganze gehen. Henning Kober erinnert in seiner bewusst etwas unbeholfenen Art an James Stewart, allerdings ohne die geradlinige Offenheit des Kinostars. Sein Pierre Peters ist eine Zeitbombe, von der keiner weiß, wie der Zünder eingestellt ist, ein zynischer Soziopath, der an wortreichen Schilderungen des Kriegshorrors sadomasochistischen Spaß hat.
Körperliche Vorzüge sind Voraussetzung für die Rolle der Katja, die Bereitschaft, sich als White-Trash-Männertraum zu inszenieren und erst langsam Selbstbewusstsein und Intelligenz durchscheinen zu lassen. Sabrina vor der Sielhorst gelingt die Kombination von Gender- und Ständerdebatte grandios. Sie strömt eine unverschämte Sinnlichkeit aus, ist Venusfalle und Boulevardmieze. Glaubwürdig wirkt ihr Einfordern von Respekt und ehrlich die Frustration darüber, dass die Supertitten zwar ihr Kapital sind, aber jede Wahrnehmung ihres Inneren verhindern. Wie es sich für einen guten Thriller gehört, zieht sich langsam die Schlinge zu, wobei Regisseur Zanger nicht auf einen Überraschungsschluss setzt sondern eine wichtige stumme Handlung unübersehbar offen dem Publikum zeigt. Da geht es nicht mehr um Kniffe und Effekte, sondern um zwei Repräsentanten einer Gesellschaft, in der gewissenloser Kampf selbstverständlich ist. Darwin herrscht, der Stärkere gewinnt. Für den Verlierer gibt es keine Gnade. In dieser starken, spannenden Inszenierung stimmt alles, bis hin zu einer eigens für die Aufführung produzierten Phoenix-Sendung, in der ein echter Fernsehkorrespondent den Rücktritt der Bundesregierung verkündet."
Podcast und komplette Kritik -----> WDR 2 Mittagsmagazin "Die Kritiker", 21.3.11
"Regisseur Meinhard Zanger lässt die Protagonisten zu Gefangenen ihres eigenen Egoismus werden und setzt auf die Wortgewalt der Dialoge.
'Narben erkennen einander', resümiert Katja, und so verwandelt sich das Bett im bonbonfarbenen Wohnzimmer der Schauspielerin (Ausstattung: Annette Wolf) zur Freudschen Psychoanalyse-Couch. Beide stellen fest, dass sie einander ähnlicher sind, als sie dachten. Doch gerade diese Erkenntnis macht verletzlich. Man kommt sich näher, und diese Nähe wird zur schärfsten Waffe. Nichts macht verletzlicher als das Wissen um das Innenleben des Anderen. Sabrina vor der Sielhorst (Katja) und Henning Kober (Pierre) gelingt es, die Zerrissenheit zwischen Schein und Sein glaubhaft darzustellen. Bei so viel Seelen-Folter setzt der Zuschauer all seine Hoffnungen auf die womöglich heilende Liebesbeziehung. DAS INTERVIEW ist nicht nur eine Kritik an der Medienwelt, sondern fragt nach der Rolle eines jeden in der Gesellschaft. So werden Katja und Pierre endgültig lebendig. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch in den Köpfen der Zuschauer."
Komplette Kritik -----> Westfälische Nachrichten, 18.3.11
"Das makabre, hochunterhaltsame und überraschende Kammerspiel DAS INTERVIEW basiert auf dem gleichnamigen Film des ermordeten niederländischen Regisseurs Theo van Gogh. Intendant Meinhard Zanger hat es für sein Wolfgang Borchert Theater in Münster äußerst packend, erregend und emotional inszeniert. Das Stück zeigt in raffinierten Windungen, wie die zwei knallharten Medienprofis sich in der Konstruktion von Wirklichkeiten derart überbieten, dass bis über den Schluss hinaus Unsicherheit bleibt, was Wahrheit und Lüge ist.
Schauspielerin Sabrina vor der Sielhorst war nie so gut wie hier. Sie vergiftet ihre Worte mit Zynismus und Häme, zeigt mit kurzem Rock, weitem Ausschnitt und Netzstrümpfen das billig kichernde Sternchen, den verführerischen Vamp und die vernarbte Seele um schließlich wie Uma Thurman im Tarantino-Film 'Kill Bill' ihre eisige Rache zu üben. Eine großartige Schauspielleistung.
Henning Kober, der sein Debüt am Borchert gibt, steht ihr in nichts nach. Er gibt sich zunächst schluffig und geschunden in brauner Cordjacke. Ein verbitterter Kriegsreporter, der demütigt, weil er selbst in Afghanistan gebrochen wurde. Doch ohne Maske ist er ein Ehrgeizling und Wadenbeißer, der die große Geschichte wittert und selbst über Leichen geht.
Eingespielte Filmszenen, darunter ein täuschend echt wirkendes Nachrichteninterview über den Rücktritt der Bundesregierung, geben dem ganzen Würze. Doch Zanger hat nicht primär die Politik- oder Medienschelte im Blick, sondern konzentriert sich auf die Beziehung und die rätselhafte Anziehungskraft, die beide füreinander empfinden. Sie erspüren sich selbst im anderen: 'Narben erkennen Narben', sagt Katja einmal."
Komplette Kritik -----> Ruhrnachrichten / Münstersche Zeitung, 18.3.11