Daniel Glattauer
Schauspiel.
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Alles beginnt mit einem unbedachten Tippfehler. Als Emmi genervt ihr Zeitschriftenabonnement kündigen will, landet ihre E-Mail nicht beim Verlag, sondern bei Leo. Ein spontaner Wortwechsel beginnt, der schnell eine ungeahnt persönliche Wendung nimmt. Lustvoll, provokant und von Neugier getrieben erschaffen sich die beiden Unbekannten mittels Computertastatur und Bildschirm eine virtuelle Welt, in der eine humorvolle Freundschaft ebenso Platz findet wie lustvolles Verlangen. Im sicheren Schatten der Unverbindlichkeit teilen beide ihre Sorgen und Ängste, plaudern über Trivialitäten, offenbaren eigene Erfahrungen und Wünsche. Das Cyberspace bietet Leo und Emmi einen geschützten Raum für geheime Sehnsüchte fernab des Alltäglichen, weit weg von Leos Liebeskummer und Emmis ehelicher Monotonie.
Trotz der physischen Trennung, kommen sie sich zum Berühren nahe. Doch die Sicherheit der Anonymität birgt Risiken: Jede Zeile des anderen verstärkt die Sehnsucht nach einem Treffen, jede unbeantwortete Frage schürt die Neugier auf die fremde Person . . . Beide wissen, daß sie zu weit gehen, doch eine persönliche Begegnung scheint nur eine Frage der Zeit. Wie reagieren zwei Menschen aufeinander, die sich so vertraut sind und doch nichts voneinander wissen? Hält die Realität den Wunschbildern stand?
Ein moderner Liebesdialog, der im Hier und Jetzt angekommen ist, der leichtfüßig und verspielt, die Möglichkeiten unserer vernetzten Welt auslotet. Eine zarte Geschichte vom Nordwind und der unstillbaren Sehnsucht.
Der Roman GUT GEGEN NORDWIND des österreichischen Autors Daniel Glattauer ist die moderne Version eines klassischen Briefromans und gilt als "einer der zauberhaftesten und klügsten Liebesdialoge der Gegenwartsliteratur", wie Volker Hage im SPIEGEL (22.12.2006) schreibt. Hierfür wurde Glattauer 2006 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Die Bühnenfassung entwickelte der Autor gemeinsam mit Ulrike Zemme, der ehemaligen Dramaturgin des Wiener Burgtheaters.
Inszenierung | Monika Hess-Zanger
Bühnen- und Kostümbild | Elke König
Mitwirkende | Anuk Ens & Jürgen Lorenzen |
Premiere A | Donnerstag, 29. März 2012 | 20 Uhr
Premiere B | Samstag, 31. März 2012 | 20 Uhr
WBT_SAAL
Pressestimmen
Monika Hess-Zanger hat diese seltsame Annäherung im Wolfgang-Borchert-Theater auf ebenso naheliegende wie überzeugende Weise inszeniert:
Beide Akteure „bewohnen“ eigene Spielflächen, die leicht ineinandergeschoben sind (Ausstattung: Elke König)
und hacken anfangs wild in die Tasten ihrer Laptops. Davon befreien sie sich aber immer mehr, und in parallelen Gesten
oder vorgestellten Annäherungen zeigt sich die entstehende Nähe, während zwischen den Szenen in Robert Schumanns
'Dichterliebe' und anderen romantischen Liedern die schmerzliche Schönheit der Liebessehnsucht akustisch aufscheint.
Zwei neue Darsteller am Borchert-Theater spielen dabei vor allem den Kontrast zwischen Frau und Mann beherzt aus.
Anuk Ens als Emmi Rothner bettelt und fordert, lockt und lächelt eben nicht nur sprachlich, sondern auch durch ihre
stimmlichen Nuancen und die quirlige Gestik: Diese Emmi hat zwar Angst, von einer Begegnung enttäuscht zu werden,
möchte aber trotzdem nur zu gern den fernen Leo kennenlernen. Der wiederum ist in Jürgen Lorenzens Darstellung ein
professoral-zurückgelehnter Typ, der aus den Mails der forschen Emmi neue Lebensenergie zieht und ganz am Ende,
als er selbst den Mail-Wechsel schon beendet wähnt, zum aktiven Betreiber eines gewiss erotischen Treffens wird. […]
Zum Glück hat die Bühnenversion Pointen, die zwischen zwei Buchdeckeln gar nicht möglich sind. Wenn Emmi und Leo über ihr
jeweiliges Aussehen spekulieren und die Zuschauer sehen, dass Leo in diesem Moment eben keine coole Jeans, sondern lediglich
seine Boxershorts trägt, ist das schon putzig, und wenn sie gegen Ende ihre
Anrufbeantworter-Sprüche abschmecken, dann zeigt sich,
was gute Schauspieler aus einem Text kitzeln können.
Westfälische Nachrichten, 23.3.2012
Als dramatisiertes Bühnenstück kann der Text deutlich mehr. In Münsters Borchert-Theater unterhält und rührt er zweieinhalb Stunden problemlos. Wer ohnehin Fan der Geschichte ist, wird hier ganz neue Nuancen entdecken. Bei der Premiere am Donnerstagabend gab es langen und begeisterten Applaus für Anuk Ens und Jürgen Lorenzen. Sie machen Emmi und Leo, die beiden Fremden, die sich durchs Emailschreiben verlieben, greifbar – und begreifbar. Sie verkörpern die Prototypen der romantischen Liebe. Die verheiratete, vom Alltag eingesponnene Emmi forciert das Abenteuer, der von seiner großen Liebe verlassene Leo sehnt sich nach einem Anker im Leben. Beide suchen sie das Glück, ihren Seelenverwandten – und flüchten sich ins Ideal der Liebe. In der virtuellen Welt leben sie eine Liebesutopie, die perfekte, reine Liebe im Kopf, die nicht aufgefressen werden kann durch nicht zugeschraubte Zahnpastatuben, Hypotheken für die Doppelhaushälfte oder den Streit ums Fernsehprogramm. Und wie machen sie das? Mit der Macht des Wortes. „Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen“, sagt Leo. „Schreiben ist küssen mit dem Kopf. “ Die Inszenierung ist mehr als ein aufgemotztes Hörbuch. Anuk Ens und Jürgen Lorenzen schaffen es, den Emails Leben einzuhauchen, die beiden Schreibenden zu echten Typen zu machen. Sie trinken Whiskey und Wein, ziehen sich an und wieder aus, er sortiert Akten, sie spielt Prinzessin. Besonders Lorenzens betrunkene Liebesrede ist großartig. Und wie die beiden gegenseitig von ihren Stimmen schwärmen, wenn sie sich auf den Anrufbeantworter gesprochen haben, ist einfach nur großes Kino. Aber auch die Reaktionen der beiden beim Lesen oder Schreiben der gepfefferten, geistreichen und originellen Emails zu beobachten, macht Spaß. Aber nicht nur das: Die beiden Schauspieler schaffen es, das virtuelle Verlieben nachvollziehbar zu machen. Sie zeigen die Paradoxie, sich ganz nah zu fühlen und doch unendlich fern zu sein. Regisseurin Monika Hess-Zanger lässt sie dafür auf zwei Bühnenebenen spielen, die sich leicht überlappen. Beide haben ihr Reich – die schnörkelige Tisch-Stuhl-Bett-Variation auf ihrer, die sachliche Kombi auf seiner Seite. Mit viel Fantasie erinnert das Bühnenbild an einen großen Laptop (Bühne und Kostüme: Elke König). Und obwohl Leo und Emmi sich nie direkt anschauen, brechen sie doch immer mehr in den Kosmos des anderen ein. Auch körperlich. Monika Hess-Zanger hat den Text mit schlauen Regie-Ideen um eine spannende Ebene erweitert. Wenn Leo zum Beispiel aus einem Verlängerungskabel eine Galgenschlaufe knüpft, blickt der Zuschauer tiefer in Leos Seele, als es Emmi erlaubt ist. Wenn Emmi Leo im selben Moment um ein Kabel bittet und er es ihr zärtlich reicht, flirrt es so erotisch, wie es der Text alleine nie hinbekommt. Emmi als Leos Retter. Ein schönes Bild. Eine weitere Bedeutungsebene erfährt das Stück durch die eingespielten Schumann-Lieder. Fritz Wunderlich singt das Paar noch tiefer in die Romantik hinein. Zu Beginn der Romanze kündet er vom wunderschönen Mai – mitten im November.