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Eric-Emmanuel Schmitt

DER FREIGEIST
Ein Moralspiel | Komödie. 

Ein Tag im Leben des Moralisten Diderot. Im Jagdpavillon des Baron d'Holbach sitzt der Philosoph der Malerin Anna Dorothea Therbouche Modell – eine Situation, die Diderots amouröse Abenteuerlust weckt. Doch der geistreiche Flirt der beiden wird jäh unterbrochen durch das Erscheinen des Sekretärs: Die Drucklegung der "Enzyklopädie" drängt, allerdings hat Rousseau, der eigentlich den Artikel über "Moral" verfassen soll, kurzfristig abgesagt; nun soll Diderot zur Feder greifen.

Nolens volens macht sich Diderot an die Arbeit. Doch erneut wird er gestört, diesmal von seiner eigenen Frau, die sich beschwert über Diderots ständige Seitensprünge. Diderot weiß zwar, sich vehement zu verteidigen – doch die Moralvorstellung, die er dabei vertritt, paßt leider so gar nicht zu den philosophischen Erörterungen des Moralbegriffs, die er soeben zu Papier gebracht hat. Und damit nicht genug: Weitere Überraschungen bringen den Philosophen in immer neue Definitionsschwierigkeiten in Sachen "Moral"...

Zangers Inszenierung von Schmitts turbulenter Komödie wurde im Dezember 2000 der Kölner Theaterpreis verliehen und eine eigens georderte Filmversion 2003 neben der Volksbühne und Schaubühne Berlin zum renommierten 37. Internationalen Theaterfestival BITEF nach Belgrad eingeladen.

In der Neuinszenierung stellt sich der Kölner "Diderot" Bernd Reheuser erstmals dem Münsteraner Publikum vor.






Regie | Meinhard Zanger
Bühne | Monika Gora | Anja Müller
Kostüme | Anja Müller

Mitwirkende |
Bernd Reheuser [Diderot] | Stefanie Mühle [Anna Dorothea Therbouche] | Monika Hess [Antoinette Diderot] | Anja Bilabel [Die junge d’Holbach] | Brit Dehler [Angélique] |  Florian Bender [Baronnet]

Premiere A | Donnerstag, 16. November 2006
Premiere B |
Samstag, 18. November 2006
Beginn 20 Uhr
WBT_SAAL


PRESSESTIMMEN


In anderen Theatern plumpst man unkontrolliert und schreiend auf der Suche nach Dramatik über die Bühnen. Im Borchert-Theater hat Regisseur Meinhard Zanger, der für seine Arbeit am FREIGEIST im Jahr 2000 den begehrten Kölner Theaterpreis erhielt, zusammen mit den Schauspielern ein Feuerwerk von faszinierenden Dialogen inszeniert, dass einen bedauern läßt, der französischen Sprache nicht mächtig zu sein. Stefanie Mühle (als Therbouche) ist bezaubernd böse. Es gelingt ihr auf brillante Weise an die Marquise Isabelle Merteuil aus dem Briefroman "Gefährliche Liebschaften" zu erinnern, an eine Frau, die von den Männern Respekt erwartete. Monika Hess als Diderots Ehefrau einzusetzen, ist eine das Stück bereichernde Idee. Anja Bilabel (als junge d'Holbach) beweist, daß sie auf der Bühne jeden Mann verführen kann und ihr gelingt es, vor allem die älteren Damen im Publikum, auf eindringliche Art daran zu erinnern, daß sie noch älter werden. Brit Dehler (als Angélique) scheint wie geschaffen für die Rolle von Diderots Tochter. Florian Bender (als Baronnet) zeigt sich erneut als herrlich unerfahrener Naivling, der sich nur zu gern (von Angélique) belehren lässt - und. Bernd Reheuser, ja, Bernd Reheuser ist Diderot. Ein "Ritter der Ungewissheit" wie ihn sich Eric-Emmanuel Schmitt wohl vorgestellt hat, den seine Nachwelt nicht haben wollte: jugendlich-fröhlich, stürmisch-wortreich, fleischlich-lebendig, eloquent und frei, frei sich selbst zu widersprechen und mit seiner verrückten Genialität die gesamte Umgebung zu beherrschen. Wenn die Philosophie, wo auch immer man sie antrifft, so vergnüglich wäre wie dieses Theaterstück von Eric-Emmanuel Schmitt und die Darstellung des Wolfgang Borchert Theaters, würde nur noch philosophiert.

Semesterspiegel Nr. 36, Februar 2007

 
 
Die temporeichen und leidenschaftlichen Dialoge im FREIGEIST werden hervorragend von der dezent crème farbigen Ausstattung karikiert. Stefanie Mühle überzeugt als sarkastische femme fatale Madame Therbouche und kann nur von Bernd Reheuser als tragikomischen Held Diderot übertroffen werden.

TV Münster Kulturtipp von Aa bis Zoo Kultur, 12.1.2007

Ein freier Geist weht durch Münster. Im Jahre 2000 hatte Meinhard Zanger schon einmal den „Freigeist“ inszeniert. Am theater der keller in Köln, und er erhielt damals für seine Inszenierung den begehrten Kölner Theaterpreis. Jetzt in seinem „neuen Haus“ inszeniert Zanger nochmals den Freigeist, denn das Stück ist, obwohl es ein Renner an deutschen Bühnen war, in Münster noch nie gelaufen. Kann man einen solchen Erfolg wiederholen oder gar toppen?

Wer die Aufführung in Münster gesehen hat und eventuell auch die Kölner, kann diese Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Zanger, Schmitt und das Stück scheinen eine Symbiose einzugehen . . . Zangers Leichtigkeit, mit der er das Stück in Szene setzt, ist sprichwörtlich. Schmitts Stück kommt so leichtfüßig über die Rampe, dass es dem Zuschauer das Vergnügen in die Gesichter zaubert. Und die Schauspieler sind von einer seltenen Güte.

Allen voran Bernd Reheuser als Diderot. Da wird Text im besten Sinne des Wortes parliert. Der Mann kann Bonmots servieren, als täte er nichts anderes im Leben. Stefanie Mühle als Madame Therbouche erwidert diese Bonmots mit gleicher Leichtigkeit. Zwischen dieser Leichtigkeit, verbunden mit Lüsternheit und weiblichen wie diebischen Interessen spinnt sie ihre Fäden. Monika Hess gibt die Gattin Diderots mit allen Erfahrungen einer Frau, die seit Jahren mit einem Lüstling verheiratet ist; kess, direkt und ungemein schlagfertig. Brit Dehler zeigt in wunderbarer Weise wie man den Papa um den Finger wickelt und auch die Sprunghaftigkeit eines Teenagers aus dem 18. Jahrhundert. Anja Bilabel spielt die junge d´Holbach, die dem Philosophen nur aus dem Grund verführt, damit Madame Therbouche die Gemälde aus dem Nachbarzimmer beiseite schaffen kann. Ein kleines, liebes Luder. Den überbeflissenen Baronnet gibt Florian Bender mit viel jugendlichem Charme und einer gehörigen Portion Hektik, die zur Triebfeder bei Diderot wird.

Das Publikum verfolgt von der ersten Minute voller Begeisterung die Geschichte auf der Bühne. Zum Abschluss gibt es minutenlangen Applaus für Darsteller und Leitungsteam. Und die Gesichter der Zuschauer verraten ganz offenbar: hier haben sich die Menschen königlich amüsiert. Also Münsteraner, hin und anschauen.

theater pur, Januar 2007



Für die Komödie DER FREIGEIST hat WBT-Intendant und Regisseur Meinhard Zanger Bernd Reheuser ans Borchert-Theater geholt. Eine gute Tat! Reheuser spielt das Ringen des tragikomischen Helden um die Quadratur des Kreises mit verschmitzter Grandezza. In Stefanie Mühle als ebenso reizvolle wie durchtriebene Anna Dorothea Therbouche hat er eine ebenbürtige Partnerin, mit der der lebenslustige Philosoph am Ende die Widersprüche zwischen individueller und gesellschaftlicher Moral als „fröhlicher Skeptiker“ (E.E. Schmitt) zu leben weiß.

Vor dem weißgetönten, herrlich unaufgeräumten Bühnenbild (Monika Gora/Anja Müller) und zum türenknallenden Auf und Ab der Protagonisten macht dieser Freigeist über fast zwei Stunden großes Vergnügen.

ULTIMO, 25/06



Heidenspaß mit TiefgangZanger setzt die burlesken Elemente der Vorlage mit hinreißenden Einfällen und perfektem Timing in Szene. Dabei kann er sich ganz und gar auf sein durchweg herausragendes Ensemble verlassen. Besonders Bernd Reheuser durchspielt die Klaviatur im Wechselspiel der Begehren und Empfindlichkeiten des Diderot: vom alternden Schwerenöter über den vergrätzten Papa bis zum düpierten Liebhaber.

GIG, Dezember 2006



Dem studierten Philosophen Schmitt gelingt es, Diderot gänzlich zu entblößen. Nicht nur szenisch, weil die Porträtistin ihn nackt malen will, sondern auch inhaltlich, weil der wortgewandte Herr so Menschliches, Allzumenschliches will. Und in welcher Form des Theaters geht es vor allem um solche Gelüste? Genau, im Boulevard.

Wenn dem Weltgeist die Hose heruntergerissen oder die Toga entzogen wird, enthüllt sich der Weltwille in seiner ganzen Größe: Autor Schmitt redet nicht verklemmt um die Dinge unterhalb der Gürtellinie herum, sondern thematisiert sie wortreich, lässt etwa den Philosophen erklären, dass die Malerin gerade den „steigenden Ausdruck seiner Seelenstärke“ erblickt . . . Das Premierenpublikum belohnte es mit vielen Lachern.

Borchert-Intendant Meinhard Zanger setzt in der dezent-symbolkräftigen Ausstattung von Monika Gora und Anja Müller auf ironisch-übersteigerte Boulevard-Effekte . . . und vor allem auf Tempo . . . Die Komödienmaschinerie . . . läuft wie geschmiert. Was an einem reibungslos funktionierenden Ensemble um Stefanie Mühle als entschlossene Therbouche sowie Monika Hess, Brit Dehler, Anja Bilabel und Florian Bender liegt, vor allem aber an Bernd Reheuser in der Philosophenrolle: Sein schauspielerisches Dauerfeuer ist einfach unglaublich. Er braucht als Freigeist kein Feingeist zu sein, sondern kann hemmungslos auftrumpfen: Seine Mimik, wenn sich Diderot an eigenen Texten delektiert, oder die Gesten seines auf- und absteigenden Zeigefingers könnten von Asterix-Zeichner Albert Uderzo entworfen sein. Famos.

Westfälische Nachrichten, 18.11.2006


Wo beide Geschlechter auf einander treffen, sprüht es Funken, bricht vielleicht eine Feuersbrunst aus. Frauen und Männer: zusammen eine Katastrophe, alleine verloren . . . Regisseur und Intendant Meinhard Zanger braut eine explosive Mischung aus den schlechten Eigenschaften beider, Männlein und Weiblein.

Gerade in der Hauptfigur Diderot prallen Triebbefriedigung und ethische Vorstellungen so heftig aufeinander, dass die Komik vorprogrammiert ist . . . Die mit Papierbahnen ausgestaltete Bühne von Monika Gora und Anja Müller wirkt so zerbrechlich wie bürgerliche Moralvorstellungen. Das unschuldige Weiß des Materials wird durch das wollüstige Bühnengeschehen ironisiert, und die hellen, an die Barockzeit angelehnten Kostüme lassen nur hier und da verschämt verruchtes Rot durchscheinen.

In seinem cremefarbenen Bademantel zieht Gastschauspieler Bernd Reheuser den Humor seiner Philosophen-Rolle aus dem Gegensatz von Eitelkeit und Verzweiflung, erinnert dabei mit seinen schnellen Gesten fast ein bisschen an den französischen Komiker Louis de Funès. Stefanie Mühle setzt als Therbouche ganz auf die Wirkung ihrer Worte und zeigt sich als geheimnisvolle Femme fatale. Die von Zanger stets locker ausgespielte Heiterkeit des 90minütigen Stücks trieb die Zuschauer immer wieder zu Lachsalven – und endete mit einem zärtlichen Waffenstillstand zwischen den Geschlechtern.

Münstersche Zeitung, 18.11.2006


Stefanie Mühle brilliert in der Rolle der Therbouche. Sie verkörpert die geistreiche Betörung. Sie gibt sich überlegen, kaltschnäuzig und sarkastisch. Der Star des Stücks ist jedoch Bernd Reheuser als Diderot. Dieser scheint naiv und verzettelt sich. Dabei zieht der Schauspieler das Publikum in seinen Bann. Man lacht mit und über ihn. Stimmig sind auch Bühnenbild und Kostüme (Monika Gora / Anja Müller). In Weißabstufungen umgeben bekritzelte Papiere den Raum und werden zuweilen mit Füßen getreten.

Der Intendant Meinhard Zanger hat den Autor Schmitt bereits bei seiner Arbeit im Rheinland für sich entdeckt. Für seine Inszenierung des FREIGEISTs wurde ihm im Jahr 2000 der Kölner Theaterpreis verliehen. Ein Erfolg, an den die münstersche Aufführung anknüpfen kann.

Die Glocke, 18.11.2006