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Nachlese: Klaus Pohls Lesung am WBT

Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller Klaus Pohl stattete dem WBT in dieser Woche einen Besuch ab und las aus seinem aktuellen, hochumjubelten Erfolgsroman "Sein oder Nichtsein". , In der anderthalb stündigen Lesung gab er einen Einblick in die spektakulären, hochkomischen und tragischen Verwicklungen seiner Probenzeit mit Peter Zadek in Straßbourg, der 1999 dort "Hamlet" mit Pohl als Horatio inszenierte.

Die freie Autorin Edina Hojas schreibt in ihrem Bericht zur Lesung:
»Eine langjährige Freundschaft verbindet Pohl mit dem WBT-Intendanten Meinhard Zanger und der Chef-Dramaturgin und Regisseurin Tanja Weidner. Dabei lebt der Schriftsteller in Wien und New York. Für Zanger war die Lesung ein Wiedersehen nach 36 Jahren. Für Weidner war es eine Wiederbegegnung nach der gemeinsamen Zeit am Berliner Ensemble nach 11 Jahren. [...] Es war nicht das erste Mal, dass Zadek Hamlet inszenierte. In der legendären Fassung aus dem Jahr 1977 spielte Ulrich Wildgruber die Rolle des Hamlet. „Überirdisch“ sei er gewesen. Und jetzt soll die Rolle ausgerechnet an eine Frau gehen! Und dann noch an Angela Winkler! Wildgruber selbst ist dazu verdammt, Polonius zu spielen, den Berater des Usurpators Claudius. Verrat an Hamlet, Verrat an Wildgruber! Skurril kommt der Schauspieler daher, fragil und körperlich angeschlagen. [...]
Klaus Pohl war mittendrin, war da und gleichzeitig nicht da. Als Horatio, Hamlets engstem Freund, probte er mit den anderen auf der Bühne. Als Schriftsteller schrieb er die Wirklichkeit auf und führte offiziell Probetagebuch. Tausend Seiten hat er mit Notizen gefüllt. Vor den Augen der Zuschauer schlüpfte er gestern in die Rollen seiner Protagonisten, rüttelte am Rednerpult, während er Zadeks Tiraden schmetterte. Herrlich nah kommen uns dabei die liebevoll portraitierten Menschen. Mitsamt ihrer Wildheit, ihren Schrullen, ihren Ängsten. [...] Ganz nebenbei erfahren wir als Zuhörer und Leser, wie das Theater eigentlich funktioniert - von der Bühnentechnik bis zum Soufflieren. Wir werden eingeweiht in die nötige Hingabe aller Beteiligten. Und in einen unkonventionellen Theateralltag. Man muss mitlachen, wenn Pohl erzählt, wie die Darsteller high von der frisch aufgetragenen Wandfarbe arbeiteten. Wie Winkler zweimal flüchtete. Wie eine Hospitantin für Wildgruber bei den Proben einsprang und dann als Zielscheibe Zadeks diente. Aus heutiger Sicht ist die Rolle des selbstherrlichen und cholerischen Regisseurs sicher etwas fragwürdig, aber als Figur auch ungestellt, ehrlich und amüsant. [...] Pohl holt die Zuschauer und Leser in eine Welt, deren Türe sonst verschlossen bleibt. Wie entsteht die Kunst, die uns begeistert? Wer sind ihre Macher? Dabei rückt Pohl an die existentiellen Fragen der Menschheit. „Was ist der Mensch“, fragt auch Hamlet, „wenn seiner Zeit Gewinn, sein höchstes Gut nur Schlaf und Essen ist?“ Es geht um das, was übrigbleibt. Um unsere Gefühle und Gedanken. Um Euphorie und Angst. Und letztlich um Leben und Tod.
Ein halbes Jahr nach der Premiere bei den Wiener Festwochen nimmt Wildgruber sich das Leben. „Mein Leben lang habe ich mit Peter Zadek gearbeitet - mit ihm soll es auch zu Ende gehen“, sagte er noch während der Proben. Auch Peter Zadek ist inzwischen verstorben. In Pohls Roman werden sie wieder lebendig.«
 
Lesung Pohl WBT 2
BIld © Tanja Weidner