Robert Seethaler
DER TRAFIKANT
Schauspiel nach dem gleichnamigen Roman.
Premiere | Samstag, 3. September 2022
Vorstellungsdauer | 2h15 | Eine Pause
© Laura Ritter
Eine packende wie zarte Erzählung über das Erwachsenwerden, über die Zerbrechlichkeit von Glück und eine ungleiche Freundschaft in dunklen Zeiten.
Robert Seethalers Roman ist 2012 veröffentlicht und 2016 von der Esslinger Landesbühne uraufgeführt worden. Seethaler, 1966 in Wien geboren, wurde 2007 für seinen Roman »Die Biene und der Kurt« mit dem Debütpreis des Buddenbrook-Hauses ausgezeichnet. Neben Romanen schreibt er außerdem Drehbücher und ist als Schauspieler aktiv. DER TRAFIKANT wurde 2018 mit Bruno Ganz in der Rolle des Sigmund Freud verfilmt. Robert Seethaler lebt und schreibt in Wien und Berlin.
Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne & Kostüme | Stefan Bleidorn
Videos | BoDiLab
Dramaturgie | Annika Bade
Mitwirkende | Florian Bender | Gregor Eckert | Katharina Hannappel | Ivana Langmajer | Jürgen Lorenzen | Alessandro Scheuerer | Tara Oestreich
Trailer
Pressestimmen
Die Bühnenfassung erzählt in einer dichten Szenenfolge davon, wie Franz die Liebe mit all‘ ihren Fallstricken durch die Böhmin Anezka kennenlernt, wie schnell durch die Nazis ein System von Angst und Denunziation etabliert wird. Und sie erzählt von Franz‘ Freundschaft mit Sigmund Freud, einem Stammkunden der Trafik. Die Gespräche mit ihm lassen Franz vor allem erfahren, dass es wichtig ist, stetig Fragen zu stellen und das immer wieder neu in jeder Lebenssituation. Auch macht Freud ihm klar, dass es wichtig ist, sich seinen furchterregenden Träumen zu stellen.
Auf einer Bühne Stefan Bleidorns, die von Pop-Up -Leinwänden gegliedert wird, kann Regisseurin Tanja Weidner durch die Projektion von zeitgenössischen Fotos sowohl Ambiente schaffen, als auch auf Spielräume zugreifen, die sowohl ein hohes Maß von Intimität zulassen. Gleichzeitig gibt es aber genug Platz für die große Geste, den hallenden Verzweiflungsschrei.
Tanja Weidner konzentriert sich ganz auf Franz Huchel, macht seine Emotionen begreifbar und durchscheinend - vor allem in seinen Reaktionen auf das Verhalten der anderen Figuren. Da bleiben wenige Gesten zufällig, wenige Blicke unerwidert.
Florian Bender und Erika Jell schlüpfen in viele kleine Rollen - ob Kellner, Nazi-Scherge oder Fleischhauer - alles gelingt typgerecht. Ivana Langmajer ist liebende Mutter, schreibt ihrem Franz aufbauende Postkarten und kann ihm in Liebesdingen doch nicht helfen. Jürgen Lorenzen ist Sigmund Freud, professoral und dennoch wohlmeinend wird er bisweilen auch zum advocatus diaboli. Rosana Cleve ist Anezka - erfahren im Liebeshändel und immer auf ihren Vorteil bedacht.
Gregor Eckert ist der Trafikant - mit ganzer Seele in seinem Geschäft verhaftet. [...]
Alessandro Scheuerer kann sich ganz in Franz‘ Seele hineinversetzen und seine Gefühle mit einem Höchstmaß an Glaubwürdigkeit ins Publikum transportieren, dessen Entwicklung zu beglaubigen. [theaterpur]
Am Wochenende feierte „Der Trafikant“ in einer passgenauen Inszenierung von Tanja Weidner Premiere in Münster. Das Wolfgang-Borchert-Theater beweist damit erneut, bei der Programm-Auswahl am Puls der Zeit zu sein, und eröffnete so seine Spielzeit 2022/23.
Stefan Bleidorn hat für die „Coming-of-Age“-Geschichte in politisch gefährlicher Zeit eine abstrakte, dafür aber umso wandlungsfähigere Bühne geschaffen. Der glitzernde See aus Alu-Folie, in dem der Liebhaber der Mutter zu Beginn ertrank, schwebt fortan wie eine heimatliche Erinnerung des jungen Trafikanten über der Szenerie. Die weißen Banner auf der Bühne dienen als Projektionsleinwand. Sie vervielfältigen das Bild der Mutter, die ihrem Sohn brieflich beisteht, und liefern die Fläche für filmische Projektionen aus der großen Stadt und für den Weltenbrand, den die Braunen entfachen. Die Drehbühne in der Mitte ist dem Wiener Nachtleben und den erotischen Traumsequenzen des jungen Trafikanten vorbehalten. Alsbald kündet ein Zeitungshagel vom heraufziehenden Kriegsgewitter.
Stärken hat Tanja Weidners Inszenierung vor allem in den berührenden Gesprächen zwischen Franz und Freud sowie zwischen Franz und seiner Mutter. Geht es um das Poltern der NS-Schergen, wird der Stoff auch im Blick auf das angezielte junge Publikum eher plakativ, damit der zeithistorische Hintergrund erkennbar wird. Besonders im Gedächtnis bleibt mit seinem engagierten Spiel Gregor Eckert, der als invalider Trafikant Otto nicht nur die österreichische Stimmfärbung bestens draufhat, sondern den NS-Schergen auch noch als Einbeiniger lautstark und kraftvoll Widerstand leistet. [WN]
„Der Trafikant“, die Bühnenfassung nach dem gleichnamigen Roman und Bestseller von Robert Seethaler, eröffnete vor wenigen Wochen im Wolfgang Borchert Theater die neue Saison 2022/23 und positioniert das WBT einmal mehr als gesellschafts-kritische Bühne. Ein kluger Startschuss und wunderbarer Auftakt. Das Stück ist inmitten unserer von heftigen Verwerfungen gezeichneten Zeit (Energiekrise, Gasknappheit, Inflation und mehr) ein klares Bekenntnis dafür, die Augenoffen zu halten und den eigenen Kopf zu bemühen, um nicht auf die aktuell wiederaufkeimenden rechten und populistischen Bewegungen hereinzufallen. [...] Unter der Regie von Tanja Weidner stehen die Ensemble-Mitglieder Florian Bender, Rosana Cleve, Erika Jell, Ivana Langmajer, Jürgen Lorenzen und Alessandro Scheuerer sowie als Gastschauspieler Gregor Eckert auf der Bühne. Tanja Weidner gelingt es überzeugend die komplexe Geschichte und das komprimierte Geschehen mit seinen vielen Orts- und Szenenwechseln auf die Bühne zu bringen. Nicht zuletzt arbeiten ihr ein wunderbar reduziertes und funktionales Bühnenbild mit geschickt eingesetzten Projektionsflächen zu. Das Zeitgeschehen ist die Folie für die Lebensgeschichte des jungen Franz und umgekehrt: Das Private ist politisch, das Politische ist privat. Das historische Geschehen wird nur angedeutet. Jeder im Saal weiß, für was die eingespielten Filmschnipsel und Fotos stehen. Für Naturalismus ist kein Platz.
Alle Rollen in DER TRAFIKANT sind hervorragend besetzt und das Ensemble agiert bis in die kleinsten Bewegungen und Gesten mit bewunderungswürdigem Einfühlungsvermögen. Florian Bender und Erika Jell schlüpfen in bewährter WBT-Manier in gleich mehrere, kleinere Rollen. Gregor Eckert war zuletzt in „The Black Rider – The Casting of the Magic Bullets“ als Wilderer und Kätchens Verehrer Robert zu sehen. Er hinterlässt neben Alessandro Scheuerer als Franz den nachhaltigsten Eindruck des Abends. Faszinierend und überzeugend gespielt! [...] Darsteller Jürgen Lorenzen verkörpert den Begründer der Psychoanalyse kongenial und mit atemberaubender Authentizität. Lorenzen ist Freud! [Westfalium]