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Kartentelefon
Theresia Walser
EIN BISSCHEN RUHE VOR DEM STURM
Schauspiel.
Premiere | Donnerstag, 20. März 2014 | 20 Uhr
Vorstellungsdauer | 70 Min. | Keine Pause

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Drei Schauspieler warten auf den Moderator einer Talkshow, zu der sie eingeladen sind. Thema: Wie darf oder sollte man Hitler spielen? Denn sie alle haben eins gemeinsam: Sie gelten als Spezialisten für die Darstellung von Nazigrößen. Zwei der Männer haben Hitler selbst gespielt, der dritte bisher "nur" Goebbels.

Doch der Moderator läßt auf sich warten. So kommen die drei ins Gespräch, das sich mehr und mehr zum heftigen Disput entwickelt. Wie nah darf man dem Publikum einen Hitler überhaupt bringen? Und wie naturalistisch muß er auf einer Bühne gespielt werden – schließlich handelt es sich um eine historische Figur.

Ein bissiger, urkomischer Einakter über deutsche Erinnerungskultur, egomane Schauspieler zwischen Bruno Ganz und Helge Schneider und die hitzig geführte Debatte über Werktreue versus postmodernes Regietheater.

Theresia Walser, Jg. 1967, war vor ihrer Autorentätigkeit selbst Schauspielerin. 1998 wurde sie bei einer Kritikerumfrage der Theaterzeitschrift Theater heute zur besten Nachwuchsautorin gewählt, 1999 zur besten deutschsprachigen Autorin. EIN BISSCHEN RUHE VOR DEM STURM entstand 2006 als Auftragswerk für das Nationaltheater Mannheim.

Inszenierung | Tanja Weidner
Bühne & Kostüme | Stefan Bleidorn

Mitwirkende | Florian Bender [G: Goebbels-Darsteller, Ulli Lerch] | Jürgen Lorenzen [H2: Hitler-Darsteller, Peter Söst] | Andreas Weißert [H1: Hitler-Darsteller, Franz Prächtel]

Fotos © Kyoung-Jae Cho


PRESSESTIMMEN

Wozu braucht man einen Regisseur? Die Frage, die sich schon manch ein Zuschauer gestellt haben mag, wird vom legendären Schauspieler Franz Prächtel so beantwortet: „Man braucht einen Regisseur, damit die Kollegen ihre Rollen nicht überschätzen." Er selbst braucht natürlich keinen. Auch dann nicht, wenn er Adolf Hitler spielt.

[...] Und doch geht es in dem ebenso kurzen wie hinreißenden Stück weniger um Diktatoren und Massenmörder als um die wunderbare Eitelkeit ihrer Darsteller.

[...] Wenn sie sich schließlich über altes und neues Regietheater fetzen, ist das ein höllisches Vergnügen. Florian Bender als Ulli spielt hingebungsvoll den jungen Schwärmer, der stolz darauf ist, einen von sieben Hamlet-Aspekten in Göttingen darstellen zu dürfen. Was den alten Prächtel natürlich auf die Palme bringt: Andreas Weißert ist in dieser Rolle ein kolossaler Wiedergänger der Theaterfigur Minetti, ein Mann, der seine eigene Legende nachlebt, weil er in Ingolstadt als „Hämlett" Maßstäbe setzte. Eine ganz kuriose Figur ist der mittel-alte Schauspieler Peter Söst: Jürgen Lorenzen spielt mit boshaftem Charme den Opportunisten, der sich beim alten Prächtel einschleimt und hintenrum lästert – bis beide sich über ihre naturalistischen oder stilisierten Hitler-Darstellungen in die Wolle kriegen.

Wie die drei komischen Helden sich als personifizierte Fremdkörper in der Silber-Optik des Studios quälen (Ausstattung: Stefan Bleidorn), wie sie sich ihre Sitzplätze aneignen und dann aufbrausend wieder verlassen, das ist der besondere Reiz von Tanja Weidners Inszenierung. Schon dazu braucht man eine Regisseurin.
Westfälische Nachrichten, 22.03.2014

Gift und Galle aus der Theaterkantine

[...] ein subtiler, zuweilen herrlich grotesker Schlagabtausch, der nicht nur berufsbedingte Eitelkeiten der Schauspieler zutage fördert, sondern auch grundsätzliche Auffassungen über das Theater aufeinander prallen lässt.

Im Mittelpunkt steht Altmime Franz Prächtel, der sich in vergangenen Erfolgen sonnt und gerne mal durch das Studio schreitet, um festzustellen, in welchem Licht er am besten zur Geltung kommt. Andreas Weißert spielt ihn als aufbrausenden, schnell beleidigten Menschen, der vor lauter Selbstbezogenheit allmählich die Realität aus den Augen verliert. Einen Regisseur, so seine Überzeugung, brauche er nur, damit seine Kollegen ihre Rollen nicht überschätzen.

Als unmittelbarer Gegenspieler erweist sich der junge Ulli Lerch, ein Vertreter modernen Regietheaters, das von Prächtel als Theater für „Provokationsdeppen" abgetan wird. Florian Bender hat hier einen glänzenden Auftritt, wenn er Hamlet als multiple Persönlichkeit interpretiert, die mit mindestens sieben verschiedenen Schauspielern besetzt werden müsse.

Nach außen vermittelnd, in Wirklichkeit aber höchst perfide agiert Jürgen Lorenzen als Peter Söst. Seine Rolle ist die des mittelalten Schauspielers, der seinen Kollegen Komplimente macht, um zu vertuschen, wie sehr er unter der eigenen Erfolglosigkeit leidet. Allerdings enthalten diese Komplimente so viel verborgenes Gift, dass sie den Konflikt zusätzlich schüren.

Walser, die selbst Schauspielerin war, bevor sie sich aufs Schreiben verlegte, hat offenbar viel Zeit in der Theaterkantine verbracht und dabei ihre Kollegen genau beobachtet. Diese Genauigkeit zeichnet auch Tanja Weidners Regiearbeit aus. Sie entwickelt die Figuren ruhig, sorgfältig und mit viel Gespür für das, was sich hinter der Fassade verbirgt. Auf diese Weise kann sie den Sturm dann umso wirkungsvoller losbrechen lassen. Eine sehenswerte Inszenierung, die das Theater selbst auf den Prüfstand stellt und dabei die Komik nicht zu kurz kommen lässt.
Münstersche Zeitung, 22.03.2014

Mit einer tiefgründig amüsanten Premiere unterhielt das Wolfgang-Borchert-Theater am Donnerstagabend sein Publikum. Der von Theresia Walser im Jahr 2006 verfasste Einakter [...] ist eine von schlagfertigen Dialogen und erhellenden Einsichten in die Theaterwirklichkeit gesprägte [...] Konversationskomödie. Regisseurin Tanja Weidner versammelt in ihrer Inszenierung des gewiss von Thomas Bernhards Theater-Farcen beeinflussten, aber eigenständigen Stücks drei ausharrende Schauspieler vor dem Auftritt. [...] Der berühmte Hitler-Darsteller Prächtel (Andreas Weißert) repräsentiert die altehrwürdige Tradition erhabener Deklamationskunst; der weniger berühmte Hitler-Darsteller Söst (Jürgen Lorenzen) laviert sich ironisch vermittelnd durchs Privat- und Theaterleben; und der Newcomer Lerch (Florian Bender), der bislang "nur" den Goebbels im Spielfilm verkörpern durfte, reizt mit seiner gesellschaftspolitisch unterfütterten Bejahung des modernen Regietheaters den Granseigneur Prächtel bis aufs Blut.

In ihrem anekdotenreichen, sprachschöpferischen Widerstreit über Lebens- und Existenzzwerge, Kultur- und Theaterriesen mit herrlich absurden Schilderungen der Berufsausübung gewähren Lorenzen und Bender selbstverständlich Weißert als prächtigstem Kauz den Vortritt. [...] Tanja Weidners Inzenierung ist ein gehaltvoller, feiner Spaß, der mit starkem Applaus belohnt wurde.
Die Glocke, 22.03.2014