mobile-logo-wbt-muenster
Kartentelefon

MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER

Bertolt Brecht / Paul Dessau
MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER
Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg. Schauspiel mit Musik.
Premiere | Donnerstag, 28. Februar 2019 | 20 Uhr
Vorstellungsdauer | 2 Std. 45 Min. | 1 Pause

  • MUTTER_COURAGE_00
  • MUTTER_COURAGE_01
  • MUTTER_COURAGE_02
  • MUTTER_COURAGE_03
  • MUTTER_COURAGE_04
  • MUTTER_COURAGE_05
  • MUTTER_COURAGE_06
  • MUTTER_COURAGE_07
  • MUTTER_COURAGE_08
  • MUTTER_COURAGE_09
  • MUTTER_COURAGE_10
  • MUTTER_COURAGE_11
  • MUTTER_COURAGE_12
  • MUTTER_COURAGE_13
  • MUTTER_COURAGE_14
  • MUTTER_COURAGE_16
  • MUTTER_COURAGE_17
  • MUTTER_COURAGE_18
  • MUTTER_COURAGE_19
  • MUTTER_COURAGE_20
  • MUTTER_COURAGE_21
  • MUTTER_COURAGE_22


Fotos: © Klaus Lefebvre

Eigentlich heißt sie Anna Fierling – den Beinamen "Courage" hat die gerissene Marketenderin von Soldaten erhalten, als sie unter Feuerbeschuss 50 Brotlaibe nach Riga gefahren hat, um sie noch zu verkaufen, ehe sie verschimmelten. Der Krieg ist ihr Geschäft. Jetzt zieht sie während des großen Dreißigjährigen Krieges mit ihren drei Kindern, Eilif, Schweizerkas und der stummen Kattrin einem finnischen Regiment hinterher, das in Schweden für einen Polenfeldzug die Bauernsöhne anwirbt. Ihre Söhne lassen sich von den Werbern allerdings auch beeindrucken und ziehen als Soldaten in den Krieg. Auch als ihre Tochter im Nachbarort überfallen wird und verwundet heimkehrt, verteidigt die Courage den Krieg als Lebensform. – Und während ihr Sohn Eilif vors Kriegsgericht kommt, fällt sie in Panik, weil der Schwedenkönig Gustav Adolf bei Lützen gefallen ist. Denn jetzt droht das Kriegsende und damit ein Preisverfall für ihre Waren . . .

Eine Parabel über die sittliche und menschliche Verrohung in Zeiten des Krieges, in denen menschliche Rücksichtnahme dem Profit untergeordnet werden muss. 

1949 wurde das von Bertolt Brecht und Helene Weigel gegründete Berliner Ensemble mit MUTTER COURAGE eröffnet. Brechts Parabel zeigt, "daß die großen Geschäfte in den Kriegen nicht von den kleinen Leuten gemacht werden. Daß der Krieg, der eine Fortführung der Geschäfte mit anderen Mitteln ist, die menschlichen Tugenden tödlich macht, auch für ihre Besitzer. Daß er darum bekämpft werden muß." Der Autor hatte von vornherein eine musikalische Ausgestaltung im Sinn. Sein langjähriger Partner in musikalischen Fragen Hanns Eisler war zur Zeit der Entstehung des Theaterstückes (1939) noch im Exil, daher suchte Brecht neue Komponisten. Paul Dessau war der dritte Musiker, mit dem er an der COURAGE zusammen arbeitete – seine Vertonungen (1948/49) wurden schließlich verbindlich für alle weiteren Aufführungen. Den Namen "Courage" übernahm Brecht aus einem Roman von Grimmelshausen (1670).


Inszenierung  | Meinhard Zanger
Bühne & Kostüme | Olga Lageda
Musik | Paul Dessau
Musikalische Bearbeitung & Leitung | Manfred Sasse

Mit | Florian Bender | Rosana Cleve | Wolfgang Ekholt | Heiko Grosche | Monika Hess-Zanger | Johannes Langer | Ivana Langmajer | Jürgen Lorenzen | Manfred Sasse | Pavel Tseliapniou

PRESSESTIMMEN

Mutter Courage wie aus dem Bilderbuch
[...] Meinhard Zanger [...] geht es darum, dass nichts Extravagantes ablenkt vom Aussagekern des Stückes. Deshalb sind auch alle Kostüme sandfarben, beige. Keine Person sticht hervor. Alle sind Rädchen in der großen Kriegsmaschinerie. Das sind Prinzipien von großer Einfachheit, die aber große Ruhe in diesen Theaterabend hinein bringen.
Dabei ist es eigentlich eine ganz klassische Brecht-Inszenierung, die Meinhard Zanger, der Intendant des Wolfgang-Borchert-Theaters mit Mutter Courage und ihre Kinder vorlegt. Eine, die auch bei den sehr kritischen und zugleich sehr konservativen Brecht-Erben durchaus auf Wohlwollen stoßen dürfte. Bei Zanger irritiert schlichtweg nichts, lenkt aber auch nichts ab von den hier zu Text gewordenen Grundsätzen des Meisters. Und dennoch werden die drei Stunden, die dieser Abend dauert, an keiner Stelle langweilig, denn die vermittelte „reine Lehre“ macht wieder einmal deutlich, wie aktuell Brechts Stücke immer noch sind. Mag von der Form her Brechts Mutter Courage auch einige Zeit sehr verstaubt daher gekommen sein, so stellt Zangers Inszenierung zur Diskussion, ob eine veränderte politische und gesellschaftliche Situation nach einer einfacheren, glasklaren Vermittlung nicht geradezu wieder zu schreien scheint.
Monika Hess-Zanger ist eine Courage, die durchaus das Mütterliche ein Stück über ihr Streben nach Gewinnmaximierung stellt, auch wenn sie das durch betonte Schroffheit zu überspielen sucht. Ihre Kinder sind allesamt Geschöpfe und Opfer des langen Krieges zugleich. Florian Bender ist der bedenkenlos, ja unbekümmert fouragierende Eilif, Johannes Langner stoisch-naiv der Schweizerkaas und Rosana Cleve die um ihr Leben betrogene Kattrin. Alle drei spiegeln das Wesen des Krieges sehr authentisch.
Heiko Grosche, Ivana Langmajer und Jürgen Lorenzen geben dem übrigen Kriegswesen Gestalt und Gesicht. Langmajerr als geschäftstüchtige Hure Yvette, Grosche als Feldgeistlicher, der seinen Glauben wie die Fahne nach dem Wind wechselt und Lorenzen als absolut flexibler Regimentskoch. [...]
Der Musik kommt in Mutter Courage und ihre Kinder eine erhebliche Bedeutung zu. Reflektierend und vertiefend zugleich geben die Songs den Szenen zusätzlich Gewicht und Bedeutung. Regisseur Zanger unterstreicht diese Bedeutung dadurch, dass er die Musiker auf‘s Dach der Bühnenkonstruktion setzt, sie den Schauspielern quasi auf den Köpfen herumtanzen lässt, sie zugleich in kleinen Sprechrollen ins Geschehen einbindet.
Manfred Sasse hat eine Einrichtung von Paul Dessaus Melodien für drei Musiker geschaffen, die farbenreich und pointiert jedem Song einen ganz eigenen Charakter gibt. Dabei schafft Sasse am präparierten Klavier den Bar-Piano geprägten Grundton, Wolfgang Ekholt am Schlagzeug den martialischen Sound des Krieges. Pavel Tseliapniou setzt als Flöten- und Melodica(!)-Virtuose Akzente.
Meinhard Zanger öffnet mit einer Inszenierung der Mutter Courage, die ohne Überraschung daher kommt, gerade deshalb den Blick auf‘s Wesentliche des Stückes. Dafür wird er vom Publikum gefeiert.
theater pur, 5.3.19

„Mutter Courage und ihre Kinder“ – das Antikriegsstück hat Bertolt Brecht 1938 im Exil in Dänemark und Schweden geschrieben – bietet eine Paraderolle für Monika Hess-Zanger. Im schwingenden Rock aus robustem Stoff, die Locken wild um den Kopf gewirbelt, zieht sie mit ihrem – selbstverständlich von einem Fahrrad gelenkten – Planwagen und den Kinder Eilif, Schweizerkas und Kattrin von einem Kriegsschauplatz zum nächsten. Ihren Namen haben der gewieften Händlerin einst Soldaten gegeben, nachdem sie unter Beschuss 50 Brote nach Riga fuhr, um sie, bevor sie verschimmeln, noch an den Mann zu bringen.
Das Geschick und die Unerschütterlichkeit der Kriegsgewinnlerin bringt Hess-Zanger so gnadenlos auf die Bühne, dass man sich als Zuschauer in der fast drei Stunden dauernden Aufführung (Regie: Meinhard Zanger) nicht eine Minute langweilt. Das dürfte auch der guten Dramaturgie geschuldet sein und der Idee, die Geschichte von den Protagonisten größtenteils durch eine Fassade aus Türen und Fenstern heraus erzählen zu lassen (Bühne: Olga Lageda). Witzig: Heiko Grosche als Feldprediger, wie er süffisant aus dem Fenster säuselt: „Der Krieg findet immer eine Ausweg. Warum sollte er aufhören?“ Oder Jürgen Lorenzen als Koch oder unbedarfter Bauer.

Die Beteiligung und das Verdienen am Krieg trotz aller Toten – die „Courage“ verliert all ihre Kinder – ist Brechts Thema. Apropos Mitwirken: Manfred Sasse, Wolfgang Ekholt und Pavel Tseliapniou, die vom Fassadendach die Musik Paul Dessaus spielen, dürfen ab und zu absteigen und mitspielen.
Die Glocke, 2.3.19

Zangers Mischung aus Werktreue und humoriger Distanz überzeugte das Premierenpublikum auf ganzer Linie. (...) Zur Werktreue zählt das Musikkonzept: Drei Musiker – alle als Schauspieler eingebunden – bespielen wie von der einer Burgmauer herab die Szenen. (...) Zwischen Bänkelsang und schrägem Volksliedton kommentieren die Lieder das Geschehen, geben den Figuren Tiefe und bitteren Humor. Diesen aber konterkariert die Regie mit humoriger Verfremdung, die Brechts „epischem Theater“ gerecht wird, aber auch Elemente des Kabaretts aufnimmt und mittels weiß geschminkter Gesichter teils in Gefilde der Commedia dell’arte führt. (...) Die Courage-Rolle ist bei Monika Hess-Zanger in besten Händen. Ein fast gruselig „patentes“ Muttertier, das die eigenen Kinder zwar beschützt, aber vor allem ihre Geschäfte im Blick hat. Und die Kinder? Auch Heißsporn Eilif (Florian Bender), Trantüte Schweizerkas (Johannes Langer) und die stumme Kattrin (Rosana Cleve) sind rundum überzeugend. Ivana Langmajer spielt die Lagerhure Yvette anrührend. Die eigentliche Hauptrolle spielt der Krieg. Brecht ging es zwar um die Mahnung an Skandinavien, nicht mit Hitlerdeutschland kommerziell zu paktieren. Aber diese Mahnung ist auch zeitlos, denn irgendwo ist immer Krieg. Und irgendwer verdient immer daran.
WN, 2.3.19