Stefano Massini
Deutsch von Sabine Heymann
Premiere | Donnerstag, 06. März 2025
Vorstellungsdauer | 2h10 min | Eine Pause
© Laura Ritter
Nach dem großen internationalen Erfolg der Lehman-Trilogie (2016/17 am WBT) hat Stefano Massini erneut ein großes Theaterfresko geschrieben, ebenso komplex und vielschichtig. Die Welturaufführung fand am 07. November 2024 am Burgtheater Wien statt. Am WBT wird damit die deutsche Erstaufführung des Massini-Opus stattfinden.
Dramaturgie | Laura Ritter, Tanja Weidner
Besetzung | Florian Bender, Katharina Hannappel, Niclas Kunder, Ivana Langmajer, Tara Oestreich
Trailer
Presse
Es wird Geld kosten, sehr viel Geld. Doch das Projekt scheint nötig zu sein, um globales Unheil abzuwenden, um den Kriegstreiber nicht siegen zu lassen. Die Atombombe muss her. Ist das ein Stück zur Gegenwart, geschrieben in den letzten Tagen? Ursprünglich nicht, denn Stefano Massinis „Manhattan Project“ wurde bereits 2024 am Burgtheater uraufgeführt. [...] Doch anstelle einer gemächlich erzählten Geschichtslektion präsentiert er Reflexionen über Wissenschaft, Krieg und Abschreckung, die aktueller nicht sein könnten.
Regisseur und Bühnenbildner Björn Gabriel hat für die auf gut zwei Stunden gestraffte deutsche Erstaufführungsversion am Borchert-Theater eine Ästhetik geschaffen, die den technischen Aspekten des Stoffes huldigt und ihn zugleich modern verpackt. Zwei große Bildschirme hängen über der mit kastigen Bauten strukturierten Bühne, sie zeigen wechselweise abstrakt-bunte, an physikalische Experimente erinnernde Muster oder die Schauspieler in unterschiedlichen, einander auch spiegelnden Perspektiven. Dass sie über Mikroports sprechen, ermöglicht es dem Video- und Sounddesigner Jan van Putten, ihren Dialogen Klänge zu unterlegen oder gleich zu Beginn die Atmosphäre eines Clubs zu schaffen, wo junge Menschen zu hämmernden Beats ihre Zukunftsvisionen fortspinnen.
[...] Die jungen Physiker und Mathematiker aus Ungarn haben eigentlich nur kindlichen Spaß an ihrer Sache, werden aber durch den Nationalsozialismus zu Vertriebenen, die in New York daran forschen, den Atombombenplänen der Faschisten zuvorzukommen. Das Quartett unterschiedlicher Charaktere, hinreißend verkörpert von Katharina Hannappel, Niclas Kunder, Ivana Langmajer und Tara Oestreich, stellt sich hingebungsvoll dem berühmten Oppenheimer zur Verfügung, um an der Entwicklung der Bombe mitzuwirken. [...] Florian Bender zeichnet Oppenheimer nach der Pause als zwar nachdenklichen Menschen, dem es um das Ende des Krieges geht, der aber gleichermaßen fasziniert von der wissenschaftlichen Herausforderung ist.
Der Schluss bringt es auf den Punkt: Hier wird ein zur beängstigender Aktualität gelangtes Thema auf faszinierende Weise verhandelt. [Westfälische Nachrichten]
„Manhattan Project“ heißt die neue Produktion am Wolfgang Borchert Theater in Münster. Sie könnte aktueller nicht sein. Sie trifft den Nerv unserer Zeit. Gerade erst hatte das Stück seine gefeierte Premiere. Inszeniert wurde es von Gastregisseur Björn Gabriel, der ansonsten als Schauspieler das Theater “Studio Trafique” in Köln leitet und für seine experimentelle und innovative Arbeitsweise bekannt ist.
Das Stück des italienischen Dramatikers Stefano Massini über die Entwicklung und den Bau der ersten Atombombe Anfang der 1940er-Jahre in den USA sticht mitten hinein in die Auseinandersetzung über eine massive Militarisierung in Europa und gerade auch bei uns in Deutschland. [...]
„Manhattan Project“ erzählt seine Geschichte in zwei Schritten. Im ersten Teil (bis zur Pause) stehen die Wissenschaftler des Projekts im Mittelpunkt, im zweiten Teil Robert Oppenheimer (großartig verkörpert von Florian Bender), der bei dem gigantischen Forschungs- und Entwicklungsprojekt die Fäden in der Hand hielt und letztlich entscheiden sollte, ob die Bombe gebaut werden sollte oder nicht.
Vier jüdische Wissenschaftler – der Mathematiker Paul Erdős, der Physiker und Molekularbiologe Leó Szilárd, der Atomphysiker Edward Teller und der Physiker Eugene Jenő Wigner – sind vor den Faschisten aus Budapest nach Amerika geflohen. [...] Die vier Physiker und einige weitere Wissenschaftlerkollegen werden überzeugend und hinreißend von den ständigen Ensemble-Mitgliedern des Theaters gespielt: Katharina Hannappel, Niclas Kunder, Ivana Langmajer und Tara Oestreich. Sie schlüpfen einmal mehr in verschiedene Rollen und brillieren mit ihren schauspielerischen Fähigkeiten. Bravo! Das ist wieder große Klasse!
[...] In „Manhattan Project“ fällt ein Stichwort, das nahtlos an unsere aktuelle gesellschafts-politische Herausforderung anknüpft. Mit dem verbrecherischen Überfall Russlands auf die Ukraine ist bei uns eine „Zeitenwende“ ausgerufen worden, die in besonderer Weise militärische Anstrengungen begründen und legitimieren soll. In Europa wird neuerdings auch wieder über atomare Aufrüstung diskutiert. Denn der neue Machthaber im Weißen Haus hat gerade erst in seiner unberechenbaren Manier die Weltordnung aus den Fugen gehoben und droht, die NATO zu verlassen, sodass die Europäer sogar nach Mitteln und Möglichkeiten für einen atomaren Schutzschild suchen. [...]Nach dem großen internationalen Erfolg der „Lehman-Trilogie“ (2016/17 am WBT) hat Stefano Massini erneut ein großes Theaterfresko geschrieben, ebenso komplex wie vielschichtig. Die Welturaufführung fand im November 2024 am Burgtheater Wien statt. Am Borchert Theater in Münster gibt es die deutsche Erstaufführung des Massini-Opus zu sehen.
Björn Gabriel ist zusammen mit dem Videokünstler Jan van Putten in Münster angetreten, um die Experimentierfreude des Borchert Theaters weiterzuentwickeln und durch filmische sowie digitale Mittel zu bereichern. [...]
In der Inszenierung von „Manhattan Project“ kommen große Videobildschirme zum Einsatz, auf denen mit dokumentarischen Videoschnipseln die damalige Zeit „eingespielt“ wird, vor allem aber die Gesichter der Schauspieler. Das erfordert von den Akteuren eine neuartige Präsenz, die an die von Filmschauspielern erinnert, sowie eine höchst konzentrierte Arbeitsweise, denn sie spielen gewissermaßen über Bande. [...] Besonders eindringlich sind in „Manhattan Project“ zudem die Soundcollagen und die Musik, die eine beinahe hypnotische Wirkung entfalten. Björn Gabriel verbindet mit diesem innovativen Medienmix auch die Hoffnung, ganz neue Zuschauergruppen zu erreichen.
Die Inszenierung von Gastregisseur Björn Gabriel in enger Zusammenarbeit mit Jan van Putten bringt in beispielloser Weise Form und Inhalt zusammen und überaus wirkmächtig auf die Bühne. Ein Erlebnis! [Westfalium]
[...] Am Donnerstagabend hatte das gut zweistündige Stück am Wolfgang Borchert Theater Premiere.
Die Angst in den USA ist groß, Nazi-Deutschland konnte die Kernspaltung militärisch für sich nutzen. Um Hitler beim Bau der Atombombe zuvorzukommen, starten sie 1942 unter der Bezeichnung „Manhattan Projekt“ ein entsprechendes eigenes Forschungsprojekt. Dafür werden aus Ungarn emigrierte jüdische Wissenschaftler gewonnen. Leiter und „Vater der Bombe“ wird der New Yorker Robert Oppenheimer.
Björn Gabriel inszeniert die Frage, wie die Welt vor der Welt gerettet werden soll, für das Borchert als eine in sich geschickt verwobene, interessante Mixtur aus Schauspiel und Videokunst (Jan van Putten). So zeichnen Kameras die Darsteller live auf und projizieren sie auf die über der Bühne hängenden Bildschirme. Oder Florian Bender, Katharina Hannappel, Niclas Kunder, Ivana Langmajer und Tara Oestreich erzählen und agieren in Filmsequenzen (in der Premiere teils nicht immer synchron). [...] Nett sind kleine Geschichten wie die des Quantenphysikers Leó Szilárd (charmant: Niclas Kunder), der seinen Koffer seit der Ankunft in den Vereinigten Staaten noch immer nicht ausgepackt hat. [...]
Starke Momente hat die Aufführung, wenn es ans Eingemachte geht, an die Moral. „Wir produzieren Tod!“, schreit es aus Oppenheimer heraus, den Florian Bender als ruhigen, überlegten, dann zunehmend unter Druck geratenen Physiker spielt. „Oppenheimer gegen Oppenheimer“ beschreibt er seine Situation, während ihn seine Panik durch die Kulissen treibt. [Die Glocke]