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DIE SCHROFFENSTEINS - EINE FAMILIENSCHLACHT

Heinrich von Kleist
DIE SCHROFFENSTEINS EINE FAMILIENSCHLACHT
Сердца и Ножи
Schauspiel. Bilinguale Uraufführung. Russische Übersetzung von Tatiana Troitckaja.
Koproduktion mit dem Drama-Theater Rjasan / Russland. Deutsch / Russisch mit Übertiteln.
Premiere | Samstag, 9. September 2017 | 20 Uhr
In dieser Spielzeit nur am 27. Mai und 28. Mai 2020 auf dem Lessing-Festival in Wolfenbüttel
Vorstellungsdauer | 2 1/4h | Eine Pause

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Fotos: © Klaus Lefebvre

Zwei Häuser – eine Familie: Die Schroffensteins unterteilen sich in die Häuser Warwand und Rossitz. Sie verbindet ein uralter Erbvertrag: Stirbt der eine Zweig aus, erhält der andere den gesamten Besitz desselben. Das schürt seit Anbeginn Misstrauen. Als ein Junge ertrinkt, brodelt es gewaltig in der Gerüchteküche. Der Mordverdacht ist schnell ausgesprochen. Blinde Rachsucht sorgt für Hass und verstellt den Blick auf die Realität. Ein Miteinanderreden ist unmöglich geworden, denn ein Missverständnis jagt das andere und die Dynamik der Kriegsrhetorik entfesselt eine Spirale der Gewalt. Inmitten dieser in Feindschaft zerrissenen Welt sucht ein junges Paar zaghaft sein Glück. Und sucht für diesen Zauber der Liebe Zuflucht in einer Höhle – doch die Jagd auf sie ist längst eröffnet.

Eine sprachgewaltige, politische Tragödie der Missverständnisse zwischen zwei verfeindeten Familien, die den gleichen Ursprung haben – ein "Spaß zum Totlachen".

Heinrich von Kleist war Mitte Zwanzig, als sein erstes Stück Die Familie Schroffenstein 1803 anonym veröffentlicht wurde. 1804 folgte die Uraufführung in Graz. DIE SCHROFFENSTEINS – EINE FAMILIENSCHLACHT ist eine Koproduktion mit dem renommierten Drama Theater Rjasan, Münsters russischer Partnerstadt. Jeweils vier deutsche und russische Mitglieder beider Ensembles stehen in ihrer Muttersprache in dieser bilingualen Uraufführung auf der Bühne.

Inszenierung  | Tanja Weidner
Bühne & Kostüme | Olga Lageda
Musik &Sounds | Manfred Sasse
Lightdesign | Andrej Kozlov

Mitwirkende | Florian Bender | Rosana Cleve | Andrej Blazhelin | Arsenij Kudrja | Ivana Langmajer | Marina Myasnikowa | Aleksandr Zaitcev | Meinhard Zanger


Wir danken der Sonderförderung durch die Deutsche Bank, die Sparkasse Münsterland Ost sowie dem Freundeskreis von Dr. Helmut Clauß.


PRESSESTIMMEN

In einer ambitionierten und rundum gelungenen Koproduktion bringt das Borchert Theater zusammen mit dem Drama Theater aus Münsters Partnerstadt Rjasan Die Schroffensteins - eine Familienschlacht ... als sprachgewaltiges Narrenspiel auf die Bühne. Die Wahl des Stückes hätte treffender nicht sein können in Zeiten nationalstaatlicher Abschottungstendenzen und Kommunikationsstörungen. [...]

Kleist als versierter Sprachkritiker nimmt die Kommunikationsprobleme in allen Facetten vorweg [...]. Da ist dieses paritätisch besetzte Theaterprojekt ein gelungenes Statement, wie es eben auch gehen kann. Je vier deutsche und russische Schauspieler agieren wie aus einem Guss. [...]

Die Inszenierung betont im Laufe des Stücks immer offensichtlicher dessen komischen Anteil, die leicht clownesken Kostüme und grotesk geschminkten Gesichter haben dies ... schon von Beginn an angedeutet. Es gibt fürs Publikum im Laufe des Stücks immer mehr zu lachen, bis einem mit den das Stück beendenden hysterischen Lachsalven jegliches Lachen im Halse stecken bleibt. Kleists Erstling beitet keine (Auf-)Lösung an, aber das muss man nicht als Makel begreifen.
Ultimo, 27.11.17


Das Borchert-Theater hat sich für die Inszenierung von Heinrich von Kleists "Schroffensteins" auf ein interessantes Experiment eingelassen und das Stück zusammen mit Schauspielern des Drama-Theaters Rjasan auf die Bühne gebracht. Für ein zweisprachiges Publikum ist das ein Fest. Für alle anderen stellt es eine gewisse Herausforderung dar. [...]

Tanja Weidners Inszenierung bewegt sich ästhetisch irgendwo zwischen Robert Wilson und Commedia dell'arte. Die Darsteller agieren in aufwendig gestalteten Fantasiekostümen (Olga Lageda)..., so dass es ein Genuss ist, ihnen zuzuschauen. [...]

Das Ensemble zeigt sich bestens in Form. Es wird grandios aneinander vorbeigeredet, um die Verwirrung am Laufen zu halten. Arsenij Kudrja ist als Ottokar ein ebenso charmanter wie geschmeidiger Liebhaber, während sich Alice Zikeli als Agnes mädchenhaft hinter ihrem Rocksaum versteckt und dabei ihr Höschen sehen lässt. Auch versteht sie es, bei Bedarf formschön in Ohnmacht zu fallen.
Dem steht das restliche Personal nicht nach. Meinhard Zanger stattet seine Rolle als Agnes' Vater mit dezent karikaturistischen Zügen aus, während sich Jannike Schubert als seine Gemahlin geschmeidig wie eine Raubkatze über die Bühne bewegt. Marina Myasnikowa ist als Ottokars Mutter die große Sanftmütige und bildet damit einen wirkungsvollen Gegensatz zu ihrem Gatten, dem Aleksandr Zaitcev die Aura eines alternden Dämonen verleiht.
Große Wandlungsfähigkeit legen Andrej Blazhilin und Florian Bender an den Tag, die in gleich einem ganzen Bündel unterschiedlicher Rollen glänzen." 
Westfälische Nachrichten. 11.9.17


Miteinander reden wäre so wichtig. Aber Rupert von Schroffenstein (Alexandr Zaitcev) knurrt nur wie ein Wolf vor sich hin. Und sein Kontrahent Sylvester von Schroffenstein (Meinhard Zanger) macht mal wieder die Merkel-Raute und starrt Löcher in die Luft. So nimmt das Missverständnis ... seinen unguten Lauf. [...]

Dieses Nicht-Verstehen-Können oder -Wollen wird am Borchert noch dadurch verstärkt, dass "Die Schroffensteins" als Koproduktion mit dem Drama-Theater Rjasan zweisprachig (mit Obertiteln versehen) auf die Bühne kommen. Auf diese Art ist der Kommunikation sozusagen ein weiteres Hindernis mit auf den Weg gegeben. [...]
Wenn Alexandr Zaitcev mit tiefer Stimme... auf russisch grollt und das Ganze mit einem Hall unterlegt wird, ist das Grauen perfekt.
Eine sehr überzeichnete Theatralik, die dem Autoren Heinrich von Kleist bewusst war und die Regisseurin Tanja Weidner übernimmt. ...
Die Glocke, 11.9.17
 

Dass das Borchert-Theater nicht experimentierfreudig wäre, kann man Intendant Meinhard Zanger, Regisseurin und Dramaturgin Tanja Weidner und dem Ensemble nun wirklich nicht vorwerfen. Mit „Die Schroffensteins – eine Familienschlacht“ wagen sie sich an Heinrich von Kleists erstaunlich modernen Erstling und bringen ihn als zweisprachiges Narrenspiel auf die Bühne – mit russischen und deutschen Schauspielern.

Wer sich [...] einlässt auf das Spiel, erlebt ein intensives Auf und Ab der Gefühle und hervorragende Schauspielkunst. Wie die Oper arbeitet auch Weidner mit Ton – allerdings mit einem Sounddesign, das das Geschehen wie eine surreale Filmmusik begleitet. Auf karger Bühne, die mit verschiebbaren Wandelementen ausgestattet ist (Bühnenbild und Kostüm: Olga Lageda), sind die Figuren ihren Sehnsüchten, aber auch zerstörerischen Rachegefühlen vollkommen ausgeliefert. [...]

Interessant ist es nun zu sehen, welchen intellektuellen Zugriff Weidner wagt, um den Konflikt der Familienzweige szenisch auf die Spitze zu treiben: Das Haus des Grafen Rupert spricht Russisch, das verfeindete des Grafen Sylvester die deutsche Sprache. Eine Symbolik, die nicht nur die tiefe Zerrissenheit der Familie, sondern gleichwohl auch ihre Unfähigkeit entblößt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Einzig eine andere Sprache, die der Liebe zwischen Sylvesters Tochter Agnes (Alice Zikeli) und Ruperts Sohn Ottokar (Arsenij Kudrja), vermag die über Generationen gewachsenen Mauern zu überwinden. 
Doch ist das nicht alles. Auch schauspielerisch verlässt Weidner die ausgetretenen Pfade der  gefühlsduselnden Tragödie. Clownesk und marionettengleich treiben die Figuren die Handlung voran. Sie stehen, so wirkt es, weder mit sich noch mit anderen in Beziehung. Im taktischen Ringen um die Oberhand ziehen die Familienoberhäupter ihre Fäden, instrumentalisieren ihre Untergebenen. Naiv von der Jugend zu glauben, dass sie solch verkrustete Strukturen wird aufbrechen können. Ein Narrenspiel, das den Zuschauern aufzeigt, wohin blinde Wut und Unversöhnlichkeit am Ende führen kann.

Es ist nur konsequent im Sinne der Kleistschen Weltanschauung, dass es die Väter sind, die einer friedlichen Zukunft, in der beide Familienzweige vereint sein könnten, von Hass getrieben ihren jeweils eigenen Kindern den Garaus machen. Die Folge einer Verwechslung. Als sie ihren Irrtum bemerken, ist es zu spät. Die Kinder sind tot. Wo es im Schauspielführer heißt: „Beide versöhnen sich wieder miteinander“, brechen Rupert und Sylvester neben ihren ermordeten Sprösslingen auf der Borchert-Bühne in irrwitziges Lachen aus. Eine Wendung, die in ihrer Drastik dem Kleistschen Geiste durchaus angemessen scheint.

Einen herzlichen Szenenapplaus erhielten bei meinem Besuch Florian Bender und Andrej Blazhilin als schräges Tochter-Mutter-Gespann Barnabe und Ursula, die schließlich in der Schlussszene auch den tragischen Auslöser der Handlung, den Tod des kleinen Peter, als Unfall aufklären.

töfte texte, 31.10.17